Der Letzte Askanier
klang nun nicht mehr ganz so entschieden. »Danke der Ehre, doch was ihr da plant, erscheint mir auch nicht rechtschaffener als Karls Politik.«
»Was ist daran auszusetzen?« fragte Ludwig. »Die Kurfürsten erklären zu Frankfurt einstimmig und in öffentlicher Versammlung, daß Karl von Böhmen nicht mehr König sein soll, weil er das Reich schlecht verwaltet. Alles soll so geschehen, wie es die alte Ordnung verlangt.«
»Nun gut …« Günther von Schwarzburg gab sich geschlagen. »Wenn sie mich unbestochen wählen und berufen wollen, so werde ich nicht zögern, das schwere Amt anzutreten.«
Meinhard fand, daß das eine würdige Antwort war, konnte aber seiner Zufriedenheit keinen Ausdruck verleihen, weil in diesem Augenblick Betkin von Ost in den Saal gelaufen kam.
»Karl ist soeben, von Wittenberg kommend, in Dresden eingetroffen!«
Ludwig stampfte mit dem Fuß. »Ich will ihn nicht sehen, diesen widerlichen Schleicher! Und nun gerade!«
Wie Meinhard von Attenweiler spürte jeder im Saal, daß mit Karl und Ludwig zwei Todfeinde aufeinandertreffen würden. Meinhard konnte sich aber trotz aller Verbundenheit mit Ludwig die Bewunderung für Karls strategisches Genie nicht verhehlen: Mit diesem Besuch in Dresden zeigte er aller Welt seinen Willen zur Versöhnung mit dem Hause Wittelsbach – und wenn seine zum Frieden ausgestreckte Hand nun abgewiesen wurde, war der Krieg weiß Gott nicht seine Schuld. Mit dem schönen Schein als Waffe, fand Meinhard schnell, ersparte sich Karl die Finanzierung vieler Heere, und es war allemal richtig, ihm einen Gegenkönig in den Weg zu stellen.
So ließ denn Ludwig alsbald folgenden Vertrag entwerfen:
Ludwig von Gottes Gnaden, Markgraf zu Brandenburg und Lausitz, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern und in Kärnten, des Heiligen Römischen Reichs oberster Kämmerer, Graf zu Tirol und Görz, bekennt öffentlich, daß er den edlen Mann, Grafen Günther von Schwarzburg, Herrn zu Arnstadt, erwählt und erkoren hat zu einem rechten Römischen Könige und daß seine Wahl rein um Gottes Willen auf ihn gefallen. Auch ist fest gedingt und versprochen, daß die ehrwürdigen Fürsten, Herr Heinrich, Erzbischof zu Mainz, und Ludwigs liebe Vettern, Rudolf und Ruprecht, Herzöge in Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein, einträchtiglich mit ihm in gleicher Weise den Grafen Günther von Schwarzburg zu derselben Ehre und Würde in den nächsten sechs Wochen nach Ausstellung dieses Briefes erwählen sollen.
Folgten noch einige floskelhafte Passagen, in denen Ludwig für sich und seine beiden Brüder dem Grafen versprach, ihn mit Land und Leuten, Vesten und Kosten zu unterstützen gegen jedermann, und ihm das Recht einräumten, ihre Stützpunkte im Gebirge zu nutzen, wenn er nach Italien ziehen wolle.
Meinhard war zufrieden mit dem, was sie in Dresden erreicht hatten, denn Karls Achillesferse war seine Angst, sich auf dem Schlachtfeld behaupten zu müssen – und gerade da lag die Stärke Günthers: Er stand im Ruf, keiner Fehde aus dem Wege zu gehen, und mit seinem tapferen Schwert konnte er womöglich alle Figuren, die Karl auf dem Brett des politischen Schachs so sorgsam aufgereiht hatte, in Stücke hauen. Und weil er Karls Geschick heimlich bewunderte, freute es Meinhard um so mehr, daß er ihn mit Hilfe Günther von Schwarzburgs nun das Fürchten lehren konnte.
Nach altem Brauch sollte die Wahl des neuen Römischen Königs auf dem Felde vor den Toren Frankfurts vonstatten gehen, und so hatten sich am 16. Januar 1349 zu diesem Zwecke auch zusammengefunden: der Erzbischof Heinrich von Mainz, Rudolf und Ruprecht, die Pfalzgrafen bei Rhein, Ludwig der Römer als Vertreter des Kurfürsten von Brandenburg, sowie die Herzöge Erich der Ältere und Erich der Jüngere von Sachsen-Lauenburg. Dies ergab die vier Kurstimmen.
»Viel Volks ist gekommen«, sagte Meinhard von Attenweiler und zeigte auf den Wall von Menschenleibern, der sie eng umschloß. Die Stadt hatte, wie in solchen Fällen üblich, ihre Tore verschlossen, vor jedem Hause aber nachts ein Licht angezündet, um auf das große Ereignis hinzuweisen und ihm die rechte Würde zu geben.
»Wer fehlt, sind die Erzbischöfe von Trier und Köln«, seufzte Ludwig der Römer.
»Ihre Schuld.«
Meinhard schwieg, denn er mochte den Stiefbruder seines Herrn nicht übermäßig, vielleicht weil er spürte, wie sehr er dem Älteren in allem überlegen war. Herzog Ludwig V., der Brandenburger, war im Mai 1315 auf die Welt gekommen, Herzog Ludwig
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