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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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herumschnitzte ohne Unterlaß. Dennoch schien er Rehbock genauestens zu beobachten.
    Sie begrüßten sich nach höfischer Sitte, und Karl fügte hinzu, daß Gott ihn, den König berufen habe, jedermann in seinen Belangen beizustehen und der Gerechtigkeit zu dienen.
    »Aber dein Fall ist schwierig.« Damit blickte er zu seinen Schriftgelehrten hinüber, um deren Ansicht zu erfahren.
    »Dieser Fall hat im ganzen römischen Recht kein Vorbild«, antworteten die Doctores. »Drum ist es an dir, o König, Gesetz zu schaffen, wo keines ist.«
    Karl nickte und sah zu Rehbock hin, der aufrecht vor den Schranken stand. »Die Kommission hält dich für echt. Hast du selber auch Beweise für deine Echtheit?«
    »Was soll das!?« rief der Erzbischof von Magdeburg.
    »Davon steht nichts in den Büchern geschrieben«, antworteten ihm die Rechtsgelehrten.
    Da empörte sich Albrecht von Dessau gehörig: »Aber in unseren alten Satzungen und Gewohnheiten! Wozu braucht es da Beweise?«
    »Gemach, gemach!« Rehbock erhob den Arm, und seinem Mund entfuhren Worte, die er nie gedacht und nie geformt; sie waren ganz einfach da, und er wußte nicht, wie ihm geschah. Da sprach ein anderer mit seiner Stimme, und er war nur das Medium. »Womit beweist einer, daß er er selber ist? Durch Zeugen, die ihn gekannt haben, werdet ihr sagen, edle Herren. Aber des Menschen Sinne sind trügerisch. Und mehr kann keiner bezeugen, als daß ich dem gleiche, den er vor knapp dreißig Jahren ein paarmal gesehen hat. Der Beweis ist schwach, denn alle träumen gern von alten Zeiten. Bin ich darum Waldemar, weil diese Narbe Stirn und Wange teilt? Da kann sich ein jeder, der ein Messer hat und Blut nicht scheut, zum Waldemar machen. Und daß ich mein Brandenburg kenne – nun, das kann man lernen. Es nützt auch nichts, die Choriner Gruft zu öffnen: Die Verwesung macht uns alle gleich, ob Possenreißer oder Markgraf.«
    Da ging Henning von Nienkerken dazwischen. »Ihm ist nicht wohl, laßt ihn in Ruhe. Sonst sinkt er uns wirklich ins Grab.«
    »Nein, ich habe die Kraft!« Rehbock stieß Nienkerken beiseite. »Rollt die vergilbten Pergamente zusammen, denn aus Totem wird nie Lebendiges gezeugt. Die Wahrheit steht in einem anderen Buche: Glaubt ihr an meine Echtheit, so bin ich echt. Das Volk glaubt mir schon: mein treues, gutes Volk. Und es weiß, warum ich wiederkehren mußte: Weil alles, was ich säte, in meiner Pilgerzeit zertreten ward. Jetzt will ich versuchen, es dennoch zu vollenden.«
    Damit brach er ab, und einen Augenblick lang war es still. Rehbock mußte sich an der Schranke festklammern, um nicht umzusinken, so sehr hatte ihn seine Anwandlung erschöpft. Da aber schrien seine Anhänger schon: »Er ist wahr! Er ist's!«
    König Karl erhob sich nun und ließ das Weidenstöckchen fallen.
    »Ist da einer, der an ihm zweifelt?« fragte er, um sich schnell zu korrigieren: »Nein, umgekehrt: Wer für ihn zeugt, der hebe den Arm.«
    Sämtliche Fürsten hoben den Arm.
    »Keiner von uns hält ihn also für unrecht und falsch«, stellte der König mit Befriedigung fest und dankte allen. »Und weil nun seine Echtheit unzweifelhaft bewiesen ist, verleihen Wir dem Markgrafen Waldemar, seinen Erben und Nachkommen die Mark zu Brandenburg und zu Landsberg mit allen Ehren, Würden, Rechten, Nutzen, Herrschaften, guten Gewohnheiten und Zubehör, namentlich mit der Stimme und Kur, die ein Markgraf zu Brandenburg an der Wahl eines Römischen Königs hat. Wir setzen ihn in die Gewalt und Gewähr der Mark in aller Weise ein, wie seine Vorfahren, die früheren Markgrafen zu Brandenburg, und wie er auch selber, ehe er vom Lande schied, die Mark innegehabt und besessen hat. Wir geloben dem Markgrafen Waldemar zu Brandenburg, ihn zu schirmen und zu behalten gegen jedermann, niemanden ausgenommen, der ihn etwa daran hindern wollte, wie ein Römischer König seine und des Reichs Fürsten zu beschirmen. Sollte aber jemand den Markgrafen Waldemar, seine Erben oder Nachkommen, Markgrafen von Brandenburg, auf irgendeine Weise hindern, so geloben Wir für Uns und Unsere Nachkommen, die Könige von Böhmen, ihnen gegen ihre Widersacher und Hinderer behilflich zu sein mit guter Treue.«
    Als König Karl geendet hatte, dröhnten die Trommeln durch das Lager und schmetterten die Trompeten, und der kaiserliche Herold rief an allen Plätzen vor unzähliger Menge Volkes und Kriegsleuten, was das Gericht entschieden und der König bestätigt hatte. Im Zelte des Königs saßen die Schreiber,

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