Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
Vom Netzwerk:
wirkte um vieles älter als Ludwig, der 1315 zur Welt gekommen war, ja fast so gebrechlich wie Waldemar, dessen Geburtsjahr weit ins vorige Jahrhundert zurückreichte.
    Nach den Eingangsritualen kamen sie alsbald auf den Anlaß ihres Zusammentreffens zu sprechen.
    »Ich habe mich zwar mit Ludwig formal ausgesöhnt und ihm den Besitz der Mark im ganzen Umfang zugesichert«, sagte Karl, während er sich setzte, »aber …«
    Da außer einem tiefen Seufzer nichts mehr kam, wagte es Meinhard, den angefangenen Satz zu Ende zu bringen. »… wenn Ihr Waldemar und den Askaniern die brandenburgischen Lande wirklich nehmen wollt, faktisch und nicht nur mit Worten, dann ist Eure feierliche Rechtsverleihung von Heinersdorf zunichte, und der Teufel ist los, verzeiht mir diese Wendung, wenn alle Urkunden, die Waldemar seither erlassen hat, ihre Gültigkeit verlieren.«
    »Nein, nein!« Karl wehrte mit Entsetzen ab. »Das Recht ist etwas Heiliges.«
    Meinhard konnte sich eines gewissen Triumphes nicht erwehren. »Nun ist der Zustand eingetreten, da beide im Rechte sind, Ludwig wie Waldemar.«
    Karl, sichtlich erbost über den eigenen Fehler, schlug mit der flachen Hand auf die Lehne seines Stuhls. »Das mir!«
    Kochan von Wersowetz sah Meinhard an. »Ihr solltet doch in Ludwigs Auftrag den falschen Waldemar entlarven.«
    Das klang so feindselig, daß Meinhard auch ein wenig bösartig wurde. »Soll ich das Grab in Chorin aufbuddeln und die Gebeine fragen, wem sie wohl gehört haben!?«
    Karl nahm ihn in Schutz. »Ich selber schließlich habe dem Manne das Siegel der Echtheit verschafft – wer immer er ist. Und wenn Ludwig nun andere Männer findet, die ihn für unecht halten, dann … O Gott, jetzt wollen einige der Fürsten sogar den König von Schweden zum Schiedsrichter machen!« Das paßte ihm gar nicht, daß ein Fremder sich in die Reichsangelegenheiten einmischen sollte. »Wie der entscheidet, weiß man doch: Er teilt die Mark und läßt die eine Hälfte von den sächsisch-anhaltinischen und die andere von den bayerischen Fürsten regieren.«
    »Wollt Ihr das verhindern, müßt Ihr einen opfern: Ludwig oder Waldemar – und da fällt mir die Antwort nicht schwer.« Kochan von Wersowetz sah Karl und Meinhard an. »Waldemar ist alt und krank, kinderlos und unbeweibt, alles in allem wohl in einem Zustande, in dem er sich selber eine Last ist, dem Lande aber noch viel mehr. Ludwig aber, zumindest Ludwig der Römer …«
    »Das hieße …« Karl stand auf, weil der Gedanke ihn offenbar quälte, »… in letzter Konsequenz, daß man den Waldemar als Betrüger hinrichten lassen müßte. Und dann mache ich mir all die Fürsten zu Feinden, die den Waldemar als echten Verwandten betrachten.«
    »Wittelsbach ist mächtiger als Anhalt«, kommentierte Kochan von Wersowetz. »Da ist dann nichts mehr abzuwägen.«
    »Ich danke Euch«, sagte Meinhard, »fände es aber weniger schön, wenn Ihr Waldemar aufknüpfen ließet wie einen gewöhnlichen Lumpen.«
    »Habt Ihr Mitleid mit ihm?« fragte Karl.
    »Das auch, vor allem aber wäre es schrecklich für alle, auch Euch als künftigen Kaiser, wenn sich herausstellen sollte, daß es in der Tat der letzte Askanier war, den Ihr da habt hinrichten lassen.«
    Karl nickte. »Ja. Darum …« Er sah Kochan von Wersowetz an. »… soll wie folgt entschieden sein: Der Pfalzgraf Ruprecht möge eine Echtheitsurkunde ausfertigen und sie auf einer Fürsten Versammlung erörtern lassen, die wir für den 1. Februar nach Spremberg oder Bautzen einberufen. Versuchen wir eine Lösung zu finden, die Waldemar das Land wieder nimmt, ihm aber zugleich die Würde beläßt.« Er stand auf und legte Meinhard die Hand auf den Arm. »Für diesen Hinweis danke ich Euch.«
    Leah stand am Fenster ihres Gasthofes und sah auf den winterlichen Marktplatz von Spremberg hinab. Die Händler versuchten, ihre Stände vom Schnee freizuschaufeln, und die Mägde, die zum Einkaufen gekommen waren, hatten sich noch frierend in Geduld zu üben. Sie wäre gerne hinuntergegangen, um mit ihnen zu plaudern, doch sie hatte Angst, daß man ihr den Rücken zudrehen oder sie gar beschimpfen würde. Seit Wochen war es derselbe Alptraum, der sie quälte: Die Menschen um sie herum waren harmlos und freundlich, und in ihren Gesichtern stand Zuneigung, Herzensgüte und Gelassenheit, doch plötzlich rissen sie sich eine Maske vom Gesicht und verwandelten sich in reißende Wölfe, die sich auf sie stürzten. Ihre bange Frage war, ob nicht auch

Weitere Kostenlose Bücher