Der Letzte Askanier
draußen laute Rufe ertönten, fuhr Leah hoch und geriet sofort in Panik.
»Sie kommen, sie kommen! Schnell weg!«
Meinhard beruhigte sie. »Das ist nichts, sie feiern nur Ludwigs Belehnung. Steh auf, wir müssen da auch hin!«
Leah suchte ihre Kleider zusammen. Es war schwer, sie in Ordnung zu bringen, denn sie hatten unter Meinhards Ungestüm gelitten. Aber das war nicht der Grund, weshalb sie es nicht sonderlich eilig hatte. »Ich finde es unwürdig, das ganze Verfahren gegen Waldemar und die askanische Seite, es ist viel Unrecht geschehen.«
Meinhard sah sie ungläubig an. »Wie das?«
Leah, geschult am Talmud und durch die langen Diskussionen mit ihrem Vater, wandte sich zuerst gegen Karls Behauptung, die askanische Partei hätte die Mark ohne sein Wissen und seinen Willen an sich gerissen.
»Die Herzöge von Sachsen und die beiden Fürsten von Anhalt waren doch vorher von Karl selber mit Teilen der Mark belehnt worden und sollten nach Waldemars Tod alles unter sich aufteilen. Diese Teilung hätte Karl dann wohl genehmigen müssen, aber noch lebt ja Waldemar, und es ist nicht recht, darüber zu reden. Und wenn sie wirklich Länderräuber und Verderber des Reiches sind, wie Karl es frech behauptet hat, dann hätte er alle Fürsten des Reiches zusammenrufen lassen müssen, um sie zu verurteilen und hinrichten zu lassen.«
»Nun ja …« Meinhard konnte dem nichts entgegensetzen außer dem Satz, daß endlich eine Entscheidung habe fallen müssen, so oder so.
»Ja«, lachte Leah, »und darum hat Pfalzgraf Ruprecht sich Zeugen gesucht, die entweder eingefleischte Wittelsbacher sind oder aber viel zu jung sind, um den Markgrafen Waldemar vor 1319 gekannt zu haben. Friedrich von Lochen und Wilhelm von Bombrecht, wunderbar! Die meisten der vierzehn Zeugen haben weder den früheren noch den jetzigen Waldemar jemals zu Augen gekriegt – und sollen nun sagen, ob er's ist oder aber nicht. Da kann doch keiner wissen, was die Wahrheit ist, auch wenn er guten Willens ist, woran aber auch zu zweifeln wäre. Das ist ein echtes Schelmenstück, mein Lieber!«
»Gott, ja …« Meinhard war hin und her gerissen. Einerseits wußte er, daß Karl ein Machtwort sprechen mußte, sollte ihm das große Werk gelingen, das Reich unter seiner Führung als Kaiser zu einen, andererseits aber sah er ein, daß man vielen Menschen bitteres Unrecht zugefügt hatte, und wenn Waldemar wirklich der echte Waldemar war, dann hatte Karl ihn seinen eigenen Großmachtträumen zuliebe schäbig geopfert.
»Nun?« Leah küßte ihn.
»Hoffen wir auf Nürnberg. Wenn Waldemar sich dort am Montag nach der Osteroktav einem Fürstengericht stellt, wird man weitersehen. Aber hörst du die Trommeln und Trompeten? Es geht los!«
Sie eilten auf den Markt, wo die Zeremonie gerade begann. Mit großem Gepränge belehnte König Karl am 16. Februar 1350 Ludwig den Älteren, Ludwig den Römer und beider Bruder Otto mit den Marken zu Brandenburg und zur Lausitz mit allen Fürstentümern und allem sonstigen Zubehör, mit der Kurstimme und dem Erzkämmereramte, wie es die alten Markgrafen von Brandenburg, ihre Vorfahren und auch Markgraf Ludwig selber vordem besessen hatten. Hierauf leisteten die beiden Ludwige, zugleich im Namen ihres Bruders Otto, dem Könige die Huldigung und schworen ihm Treue. Ludwig stellte dem König darüber eine Urkunde aus, erkannte zugleich die von ihm empfangene Belehnung der Mark feierlich an und verzichtete zu Karls Gunsten auf die Oberlausitz mit den Landen Bautzen und Görlitz. Schließlich gab Karl dem Markgrafen Ludwig eine schriftliche Versicherung, sich beim Papst auf das eifrigste zu bemühen, daß er und seine Untertanen des päpstlichen Bannes entledigt würden.
Ludwig kam, um Meinhard zu umarmen.
»Lieber, wir haben gesiegt! Freu dich, jetzt gehört mir alles wieder. Laß uns feiern heute, morgen und übermorgen auch!«
»Hast du das Geld dazu?«
Ludwig zeigte auf Friedrich von Lochen. »Er wird es mir borgen. Zweitausend Mark brandenburgischen Silbers.«
»Wie willst du ihm das wiedergeben?«
»Ich hab ihm Stadt, Haus und Land Luckau verpfändet.«
Die Nacht war rauh und kalt, und der Sturm heulte vom Norden her über den noch immer zugefrorenen See. Die Wolken jagten über den Himmel, ließen aber doch hin und wieder die Sterne erkennen, so daß Meinhard und Ludwig wenig Mühe hatten, die ungefähre Richtung zum Schloß Werbellin herauszufinden. Über ihnen krächzten die aufgescheuchten Raben.
»Das ist kein
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