Der Letzte Askanier
gutes Omen«, sagte Ludwig. »Ich muß noch einmal mit ihr sprechen.«
»Jetzt noch schneller zu reiten wäre unser eigener Tod«, bremste Meinhard ihn.
»Zur Frühmette will sie mich sehen.« Er horchte ins unendliche Dunkel hinein. »War da nicht schon die Totenglocke?«
»Es war ein Hahnenschrei.«
Die Nachricht, daß die Gräfin Matilde von Nordheim im Sterben liege, hatte sie gleich nach der Siegesfeier in Bautzen erreicht, und sie waren ohne Zögern aufgebrochen.
»Alles geht zu Ende«, sagte Ludwig düster, als sie am Werbellinsee hielten, an einer Stelle, wo eine warme Strömung das Eis schon hatte schmelzen lassen, so daß die Pferde endlich trinken konnten.
»Wieso?«
»Matilde stirbt, mein Bruder zieht statt meiner durch die Mark und stellt Urkunden aus – und dein Herz schlägt für Karl …«
»Alles fließt.«
Ludwig schrie auf. »Sieh nur: aus dem Mond tropft Blut!«
»Ich seh' nur seine kupferrote Farbe. Es wird dein Fieber sein.«
»Du kennst ja die ganze Wahrheit nicht.«
»Welche?«
»Matilde hat damals ihren Mann ermorden lassen, um frei zu sein für mich, um mich mit ihrem Geld zum Kaiser zu machen.«
»Da wird schon viel Gras gewachsen sein über seinem Grab, und sie büßt mit ihrer schweren Krankheit dafür.«
»Da steht ein Marienbild am Weg. Komm, laß uns beten!«
Sie hielten, knieten nieder und beteten leise das Vaterunser. Als sie wieder aufsaßen, goß die Sonne einen ersten rosigen Hauch über die Kiefern. Scharen von Krähen zogen oben dahin. Der Morgenwind war feucht und kalt, sie froren mehr noch als um Mitternacht.
»Nimm Leah und komm mit mir in den Süden«, sagte Ludwig. »Ich brauche die Wärme, wie die Palme sie braucht, hier in der Mark sterbe ich ab. Hier werden auch die besten Herzen kalt und rauh.«
»Daß im Süden alles besser sei, ist Kinderglaube.«
Nun konnten sie die Pferde wieder ausgreifen lassen und hatten das Schloß der Gräfin nach einer knappen Stunde erreicht. Dort herrschte schon ein Gewimmel wie am Markttag. Alt und Jung, Weiber und Kinder, Alte, Bauern, Knechte, Mönche und geistliche Herren im prächtigsten Ornat schwärmten durcheinander. Chorknaben schwenkten Rauchfässer, Baldachine und Kirchenfahnen hingen und lehnten an den Bäumen. Alles war bereit zu einer großen Prozession.
Der Vorsteher des Domkapitels von Brandenburg an der Havel, Dechant Bruno, lief auf Ludwig zu. »Gelobt sei der Herr, daß Ihr kommt! Sie harret Euer schon lange.«
Graf Ulrich von Ruppin half ihm vom Pferd. »Schnell – oder Ihr kommt zu spät! Sie ist wieder zu Bewußtsein gekommen, aber …«
Meinhard folgte Ludwig, dem Ruppiner Grafen und dem Dechanten auf dem Weg zum Schloß. Unter der alten Linde vor der Zugbrücke, in der sich ein verwittertes Muttergottesbild befand, blieb Ulrich stehen. »Dort fanden wir sie. Ihr Kopf ruhte auf den Wurzeln. Da ist noch Blut.«
»Blut!« rief Ludwig. »Christi Gnade, was ist's?«
Der Dechant sah ihn an. »Sie kränkelte die letzten Monate. Es waren böse Gedanken, die sie peinigten.«
Graf Ulrich fuhr dazwischen. »Es hat sie zur Verzweiflung getrieben, daß Karl ihr die Güter genommen hat, als Rache dafür, daß wir auf Seiten Waldemars waren!«
»Wie auch immer …« Der Dechant drängte zur Eile. »Nur Gottes Segen war das Mittel gegen ihre Krankheit und Schwermut, so daß sie beschloß, in ein Kloster zu gehen. Die Bischöfe zögerten lange, aber gestern bin ich gekommen, um ihr zu sagen, daß ihr das Probejahr erlassen ist. Da betete sie unaufhörlich, fastete und kasteite sich. Nachts muß sie sich dann unbemerkt hinausgeschlichen haben, hierher unter die Linde, und hat dann einen Blutsturz erlitten. Gott erbarme sich ihrer Seele!«
Sie eilten nun in die Halle, wo die Gräfin totenblaß lag, aber auch im Sterben noch schön. Meinhard fand, wie eine griechische Göttin. Immer wieder dachte er: Was wäre gewesen, wenn Ludwig und sie geheiratet hätten? Vorbei, unwiederbringlich.
Als sich Ludwig zu ihr ans Bett gesetzt hatte, loderte ihr Lebensflämmchen wieder auf. »Ich wußte ja, du würdest kommen!«
»Karl!« Ludwig war außer sich vor Zorn und Haß. »Dieser niederträchtige Dieb meiner Krone, dieser König der Arglist und Tücke, dieser Schacherer … Der hat dir nun auch … Woher nimmt er sich das Recht dazu in meinem Land!? Aber ich werde dich fürchterlich rächen!«
»Laß nur, du überwindest ihn nicht.«
»Ist denn kein Gott, der den Gerechten hilft!?«
»Ein Gott, der die
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