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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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es einer seiner Leute merkt. Und unser Lösegeld wird dann sein, daß er aus Brandenburg verschwindet. Aber wehrt er sich, dann …!«
    Hans Lüddecke schüttelte den Kopf. »Wähle lieber den Umweg, denn ob das Eis noch trägt, weiß niemand.«
    »Den geraden Weg will ich nehmen!« Damit ritt er aufs Eis hinaus. »Sieh, es hält!«
    »Hier am Rande schon, aber dort in der Mitte, wo die Sonne glitzert, nimmermehr.«
    »Ich sage dir: es hält!« rief Rehbock.
    »Du weißt viel, gnädiger Herr«, sagte Hans Lüddecke, »aber wann man dem Eis trauen kann, das weiß ich besser, denn wir haben bei uns zu Hause auch einen See von dieser Größe. Ein Bäuerlein zu Fuß käme wohl hinüber, nicht aber wir in schwerem Eisen.«
    »Hinüber!« herrschte Rehbock den Granseer an. »Der Herr ist gütig und eine Feste zur Zeit der Not, und er kennt die, so auf ihn trauen.« Da fiel ihm wieder ein, daß er ja von Pritzwalk losgeritten war, den Tod zu suchen, und es nicht angehen konnte, seine Leute mitzuziehen. Brach er ins Eis, dann war es gut, dann starb er wie Elisabeth. Aber sie, was hatten sie damit zu schaffen? Sie sollten weiterleben. Darum schrie er ihnen zu: »Ich reite allein, um es zu probieren. Bleibt ihr hier und wartet auf mich!«
    »Das dürfen wir nicht dulden!« rief Hans Lüddecke. »Wir sind dir treu bis in den Tod. Und der ist uns sowieso gewiß – ob nun durch die Klinge oder durchs Wasser.«
    Da schoß ein anderer Impuls in Rehbock hoch: Gott hatte ihn, den Müller, zum Markgrafen bestimmt – und an dieser seiner Sendung durfte kein Ritter zweifeln. Als Erlöser war er nach Brandenburg gekommen.
    »Kleinmütiger, du!« rief er Hans Lüddecke zu. »War dir der Tod im Wachturm zu Gransee nicht auch gewiß? Da sandte Gott mich, dich zu retten und zu bekehren. Und nun wankst du schon wieder!? Wahrlich, ich sage dir, und ihr hört es alle: Das Eis bricht nicht unter euren Sohlen, und wäre es nur fingerdick. Und bräche es, so ihr an mich glaubet, und sänke ich unter, der heilige Michael faßte mich mit seinen Händen und trüge mich heil und trocken ans Ufer. Mich, seinen Erwählten, läßt der Himmel nicht sinken. Denn er ist der lebendige Gott, der ewiglich bleibt, und sein Königreich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende.« Sein Auge strahlte, und er wies in das Abendrot hinüber. »Kleingläubige, seht dort die heiligen Ritter: sie winken mir zu. So winkten sie am See von Askalon, als die Zedern rauschten auf dem Libanon und ich das Schiff bestieg, das mich dann zu euch trug. Ich bin Gottes Ruf gefolgt und habe gesiegt. Wohlan, wer an mich glaubt! Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.« Damit gab er dem Pferd die Zügel frei und stürmte los.
    Die anderen sahen nur die Dunststreifen im Abendrot, aber sie folgten ihm bis auf den letzten Mann.
    Das Eis polterte hohl unter dem Hufschlag der Reiter, die Rosse schauderten und drängten sich aneinander. Wie Donner rollte es unter dem Eis. Auch die Mutigen blickten sich ängstlich an. Nur Rehbock schaute verzückt ins Abendrot.
    Der Punkt, wo die Sonne glitzerte, lag noch ferne, denn er wich vor ihnen.
    »Jesus, mein Heiland, laßt uns umkehren!« flüsterte einer.
    »Reißt den Markgrafen zurück!« schrie Hans Lüddecke. »Es knackt, es birst.«
    »Auseinander, um aller Heiligen willen! Wir sind zu schwer, viel zu viele auf einem Punkt!«
    Es dröhnte, barst, krachte, vieltausendmal, wie Blitz und Donner war's. Das eine Pferd stürzte mit den Vorderfüßen, das andere rücklings auf das Eis und dann ins schwarze Wasser.
    »Maria! Joseph!« schrie Hans Lüddecke. Ein Krachen und Rauschen. Seitwärts stürzte er vom Roß. Er hatte nur den Markgrafen voraus im Auge gehabt und nicht auf sich selber geachtet. Und Waldemar war gerade eben eingebrochen. »Zur Hilfe!«
    Doch wer sollte dem Markgrafen noch helfen? Jeder kämpfte ums eigene Leben. Viele waren schon versunken. Die berstenden Schollen, die abrutschenden Pferdeleiber, die schreienden, nach Halt suchenden Reiter; einer zog den anderen mit hinab ins eisige Grab. Der eine klammerte sich an eine Scholle und schrie aus Leibeskräften, der andere fluchte, der dritte betete, der vierte flehte um Hilfe. Doch keiner sprang dem anderen bei wie in den Schlachten. Wer sich retten wollte, eilte dorthin, wo das Eis fest geblieben war. Als wär's eine schmachvolle Niederlage, so polterten die Helme, Schilde, Waffen weit

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