Der Letzte Askanier
tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Was hätte er für ein schönes Leben führen können, wenn er der Müller Rehbock geblieben wäre! Und er hätte Frau und Töchter retten können, als die Litauer mordend eingefallen waren. Das war seine große Schuld!
Er stand auf, trat ans Fenster und sah auf den Garten hinaus, der weiß war wie ein riesiges Laken. Hinten, wo die Dömnitz floß und die zugefrorenen Teiche waren, sah er Elisabeth laufen.
So deutlich, wie er dies Bild vor Augen hatte, sah er an diesem Mittag, da sein Gemüt licht war wie lange nicht mehr, seine Lage als Markgraf Waldemar:
Die Würfel waren gefallen, und die askanische Partei, so schien es, war der große Verlierer im Spiel um Brandenburg, doch auch im Jahre 1351 gab es immer noch etliche Städte, insbesondere in der Mittel- und der Uckermark, die auch nach dem Urteilsspruch von Nürnberg treu zu Waldemar hielten. Sie leisteten die von den sächsisch-anhaltinischen Fürsten eingeforderte Erbhuldigung und richteten ein gehörig besiegeltes Schreiben an den König, worin sie baten, deren Untertanen bleiben zu dürfen. Die Altstadt Brandenburg und das nahe Görzke gehörten dazu, ferner Berlin, Strausberg, Bernau, Eberswalde, Angermünde, Prenzlau, Pasewalk und schließlich auch Templin. Die Pest wütete im Lande, und dazu kamen immer wüstere Ausschreitungen gegen die Juden. In Prenzlau sahen sich die Fürsten um Rehbock respektive Waldemar gezwungen, zum Schutze der Juden vor dem Pöbel dasselbe Mittel zu ergreifen, das auch anderwärts in vielen Fällen mit Glück angewendet wurde: Sie schenkten der Stadt Prenzlau alle daselbst wohnenden Juden, das heißt, alle Einkünfte, Vorteile und Dienste, die dem Landesherrn von Seiten der Juden zustanden.
Wenn Rehbock durch die Reste seines Territoriums zog, waren die Herzöge Rudolf der Jüngere und Albrecht von Sachsen dabei, die Grafen Albrecht und Waldemar von Anhalt, die Ritter Andreas von Globeck, Johann Loser, Hans Lüddecke, Georg von Kerkow, Benedikt von Benz, Albrecht von Welsleben, Peter von Heinrichsdorf, Degenhard von Wulfen und der Kaplan Johann aus Dessau. Währenddessen rückte der Entscheidungskampf mit den Wittelsbachern immer näher. Die Bayern wurden aber dadurch irritiert und geschwächt, daß entgegen ihrer Hoffnung ein neuer Bannbrief des Papstes gegen sie ergangen war, der manchen davon abhielt, zu ihnen überzulaufen. Durch eine seltsame Fügung des Schicksals hatte die Mark nun zwei Regenten, die beide als tot bezeichnet werden konnten: Waldemar war es in rechtlicher, Ludwig in geistlicher Hinsicht und Weise.
Im Sommer 1350 hatte der Krieg begonnen. Ludwig der Römer hatte in der Neumark ein Heer aus Neumärkern, Lebusern, Lausitzern, Pfälzern, Bayern, Dänen, Luxemburgern, Pommern und Meißnern zusammengestellt und war von Frankfurt/Oder aus in den Barnim eingefallen. Einige kleinere Städte waren durch List genommen worden, indem sich die Krieger als Geißler verkleidet hatten. Die Verwüstungen Ludwigs hatten großen Schrecken verbreitet, und in vielen Städten, die sich ihm unterwarfen, kam es zu heftigen Kämpfen zwischen seinen Anhängern und denen Waldemars. Unterdessen zog Albrecht von Mecklenburg, nun auf Wittelsbacher Seite, durch das Havelland zum Teltow und verwüstete die Lande. Ihm dienten die Städte Mittenwalde und Brietzen, die nie von Ludwig abgefallen waren, mit ihren festen Schlössern als begehrte Stützpunkte. Als nun auch Markgraf Ludwig der Ältere mit Ruprecht von der Pfalz an der Spitze eines bayerisch-schwäbischen Heeres mit 1200 Mann in der Mark Brandenburg erschien, außerdem König Waldemar von Dänemark und der Markgraf von Meißen mit ihren Truppen, fielen bis zum Wintereinbruch 1350 Saarmund, Bernau, Strausberg und einige kleinere Orte in bayerische Hände. Als die ungünstige Witterung keine Kämpfe mehr zulassen wollte, schickten die Wittelsbacher die nur bis Martini gemieteten Söldner wieder nach Hause, und ihr Feldzug war vorerst zu Ende. Mit dem Ergebnis konnten sie mehr als zufrieden sein. Barnim und Teltow waren – Berlin, Cölln und wenige Schlösser ausgenommen – vollständig unterworfen, die Herrschaft Ruppin und die bedeutendsten Herren und Ritter des Havellandes sowie die Städte Spandau und Kyritz waren zu ihnen zurückgekehrt. Die askanische Partei hatte dem nichts entgegensetzen können. Während des Winters 1350/51 gelang es Ludwig dem Römer auch, sich mit dem Bischof von Havelberg auszusöhnen,
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