Der Letzte Askanier
deinen Augen meine Wege wohl gefallen. Als ich das hörte, da bin ich als Pilger nach Jerusalem gegangen. Denn: Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!«
»Im Heiligen Land, da hast du's besser gehabt als wir«, sagte Bartel und begann nun ein langes Klagelied. »Viel Elend kannst du sehen bei uns. In den Büschen und hinter den Hügeln lauern die Räuberbanden, und wer gestern noch gut gekleidet war, läuft heute schon in Lumpen durch die Welt und bettelt um ein Stückchen trocken Brot. Viele Dörfer sind verlassen und die Häuser nur noch Schutt und Asche.«
Sie alle fielen nun ein und berichteten dem Pilger aus Jerusalem, daß es in der Mark seit seinem Fortgang ein Übermaß an Blut und Schande gegeben hätte, an frechem Hohn, verstümmelten Leichnamen und geschändeten Heiligtümern, daß die Halme noch immer zitterten vor Angst und sie die Schreckensbilder nie vergessen würden.
Da konnte Jakob Rehbock nur fragen, ob es denn keinen Landesherrn gäbe, der diese Greuel verhinderte.
Statt einer Antwort begannen die Dörfler, ein Spottlied zu singen:
Friedrich von Lochen,
Friedrich von Lochen,
's ist heuer gar teuer,
Das Fleisch frißt der Bayer,
Uns läßt er die Knochen,
Friedrich von Lochen.
»Wer ist Friedrich von Lochen?« fragte der Pilger.
»Der Feldhauptmann des Markgrafen Ludwig«, war die Antwort. »Seit unser alter Markgraf Waldemar gestorben ist, geht es steil bergab mit uns.«
»Er soll ja wiedererschienen sein, auferstanden von den Toten«, höhnte Bartel.
»Lach nicht!« fuhr eine junge Magd ihn an. »Viele haben ihn gesehen!«
»Ja …« Bartel war nicht aufzuhalten in seinem Spott. »Er hat die Grabplatte in Chorin, die schwer ist wie ein ganzes Haus, nach dreißig Jahren so mir nichts, dir nichts, zur Seite gewälzt und ist aus seinem Grab herausspaziert.«
In diesem Augenblick parierten zwei Ritter ihre Pferde neben Rehbock und fragten, was dieser Auflauf zu bedeuten habe.
»Nichts, edle Herren«, erwiderte Bartel. »Hier ist nur ein Pilger aus Jerusalem zurückgekommen in die Heimat, und der will gerade von uns wissen, ob Markgraf Waldemar wirklich auferstanden ist.«
»Unsinn!« rief der eine der Ritter, dessen Banner ihn als Bayern kenntlich machte.
»Nun, Betkin«, meinte der andere, »ich habe etliche Alte gesprochen, die ihn gesehen haben. Er hat ihnen Stillschweigen auferlegt und ist schnell enteilt, denn er fürchtet sich vor dem Markgrafen Ludwig, der ihm nachstellt und ihn enthaupten läßt, wenn er seiner habhaft wird. Es jammert ihn, das Land der Askanier in den Händen der Bayern zu sehen. Von den verschiedensten Orten ist schon diese Nachricht gekommen, und einige haben ihn erkannt an einem goldenen Ring, den sie zufällig an ihm gesehen haben. Eines Tages aber wird er seine Stimme erheben, ganz sicher, um sein Land zurückzufordern.«
»Ach, Uchtenhagen«, lachte der andere Ritter. »Als ob es nicht bei Waldemar die schlimmste Hungersnot gegeben hätte. Golden war seine Regierungszeit ganz sicher nicht.«
»Aber wir hatten auch Ruhm und Macht und Pracht bei ihm.«
»Vergiß nicht: Wir haben Ludwig gehuldigt und keinem Geist, der mal hier auftaucht, mal dort.«
»Einige meinen, daß er als Pilger durch die Lande zieht, um sich in aller Stille …«
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment schrie Riksa auf: »Und wenn das hier der alte Markgraf ist, Waldemar …!?«
Die Bauern fuhren vor Schreck und Ehrfurcht ein paar Schritte zurück.
»Nein, um Gottes willen: nein!« rief Jakob Rehbock aus. »Ich bin nur ein einfacher Mann und will nie etwas anderes sein!«
»Du bist es!« Riksa sank mit leuchtenden Augen vor ihm nieder. »Ich erkenne dich an deiner Narbe. Komm und erlöse uns von dem Übel!«
Betkin von Ost riß die Bäuerin hoch und schleuderte sie wie einen Strohwisch beiseite. »Pack dich, Weib du, verblödetes!«
»Er ist es, er ist es!« Wie von Sinnen schrie es Riksa in die Feldmark hinaus, die Arme hochgerissen.
Das erzürnte den Ritter Betkin von Ost in so hohem Maße, daß er mit seinem Schwert über den Köpfen der zu Tode erschrockenen Menschen die Luft in Stücke hieb. »Narren ihr! Außer Jesus Christus ist niemand auferstanden in der Welt – und es wird auch niemand anders tun.« Dann setzte er dem Manne im Pilgergewand die Schwertspitze an die Kehle. »Gestehe, wer du bist, sonst ist es aus mit dir!«
»Ich bin der Müller Jakob Rehbock aus dem Lande jenseits der Oder und habe mit diesem Markgrafen Waldemar nicht das
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