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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Vaters fühlte er sich hilflos und von allem überfordert. Der Kaiser hatte ihn gestützt, ihm immer und in allen Bedrängnissen Zuflucht geboten und ihm jede Hilfe zuteil werden lassen. Und der Böhme, König Karl, schien genau zu wissen, wie sehr ihm sein Vater fehlte und der Verlust ihn schwächte.
    Sein Anfall von Schwermut wurde immer heftiger, und um dagegen anzukommen, stand er auf und streifte durch die Gänge, ob sich irgendwie und irgendwo ein Weib auftun ließ. Das war das einzige, was ihm in seinem Zustande noch half.
    Meinhard von Attenweiler ging langsam durch die Stadt und verfluchte die schwache Minute, in der er der Purucker versprochen hatte, sich um ihren Mann zu kümmern. Eigentlich war das Ludwigs Sache, denn der war der Landesherr von Brandenburg. Nun ja.
    In den winkligen Gassen herrschte drangvolle Enge. Immer mehr Menschen kamen aus den Dörfern in die Städte, denn ›Stadtluft macht frei‹, hieß es allenthalben. Heute schien ihm ein ganz besonders großer Trubel zu herrschen, denn einmal feierten die Zimmerleute das Fest ihres Schutzpatrons, des heiligen Joseph, und zum anderen baute der Henker auf dem Marktplatz den Galgen auf. Die Trompete des städtischen Ausrufers kündigte eine Bekanntmachung an.
    Meinhard ließ sich treiben, folgte mal dem Esel eines Bauern, der mit Brennholz vollgeladen war, mal einem Bettler, der an einer Krücke humpelte und um eine milde Gabe bat. Was er suchte, war eine Apotheke, denn schmerzhaft brannte seine Männlichkeit beim Wasserlassen. Die Purucker hatte ihn zu lange malträtiert.
    Als er Giovanni, dem Geldwechsler aus Genua, einen fröhlichen Gruß in die Stube rufen wollte, fuhr er zusammen, denn neben der Waage stand eine junge Frau, die schöner war als alle, die er bisher gesehen hatte. Solchen Augenblick gab es nur einmal im Leben. Da entschied sich alles.
    Sie war sanft wie die Madonna, dunkel, feurig und wohlgeformt wie die teuerste Hure in Paris oder Rom, und ihre hohe Stirn verriet jene Klugheit, wie sie eine Kaiserin Theodora oft bewiesen hatte. Dieser Frau würde er sein Leben weihen und, wenn nötig, auch opfern, dieser Frau würde er folgen bis ans Ende der Welt. Nichts anderes gab es mehr, was wichtig war. Jetzt hatte alles wieder einen Sinn.
    Doch er kam nicht mehr dazu, in die Wechselstube zu treten und sie womöglich anzusprechen, denn die Menge, die den Karren des Henkers begleitete, schwemmte ihn hinweg wie eine Woge den dümpelnden Kork.
    Als er dann im Alten Hof Ludwig gegenübersaß, war er immer noch in Trance. Doch als der Freund den Grund seines ungewöhnlichen Seelenzustandes erfahren wollte, wich er aus, denn hätte der von der geheimnisvollen Schönen Kenntnis erhalten, wäre er auf der Stelle selber tätig geworden, sie für sich zu finden. »Ich hab der Purucker versprochen, nach Brandenburg zu ziehen und ihren Mann zu suchen, der dort verschollen ist.«
    »Ein Kaufmann mehr oder weniger …« brummte Ludwig. Er haßte die Händler und Patrizier. Sie setzten ihn unter Druck, damit er für sie die Länder eroberte, in denen sie Handel treiben und Geld scheffeln konnten, doch er hatte die Reisigen und die Ritter für diese Zwecke aus dem eigenen Säckel zu zahlen, und das schaffte er nur, wenn er sein Land verkaufte oder sich teures Geld von den Kaufleuten lieh, so daß er zunehmend in ihre Abhängigkeit geriet.
    Meinhard glaubte, sich entschuldigen zu müssen. »Du weißt, warum ich's ihr versprochen habe.«
    »Was meinst du, was ich vor einer Stunde meiner Köchin im Keller unten alles versprochen habe …« Ludwig grinste, dann verfiel er sofort wieder ins Wehklagen. »Ach, mir geht es schlecht. Wenn nur mein Vater noch am Leben wäre! Ich sehe absolut kein Mittel, diesen verdammten Karl zur Strecke zu bringen! Er ist wie eine Qualle, die man mit keinem Schwert aufspießen kann. Ich werde den Gedanken nicht los, daß er meinen Vater vergiftet hat, um selber König und demnächst auch Kaiser zu werden.«
    Meinhard scheute sich nicht, dem Markgrafen sarkastisch die Meinung zu sagen. »Wenn er am Gift gestorben ist, dann lediglich am Gegengift, das er ständig geschluckt hat, ohne daß ihn jemand vergiften wollte.«
    »Die Pfaffen wohl, täglich schwebte er in Todesgefahr.«
    »Großes wollte er – und das hat ihn aufgefressen und seinem Schlaganfall den Boden bereitet«, stellte Meinhard fest.
    Ludwig stützte den Kopf in die Hände. »Ich fürchte, ich werde diesem Karl niemals gewachsen sein.«
    »Du bist es allemal!«

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