Der Letzte Askanier
geringste zu schaffen«, kam es mit so klarer Stimme, daß der Ritter das Schwert sinken ließ. »Ich will nichts als nach Bärwalde hinüber, um meine Frau und meine Töchter wiederzusehen, nichts weiter, laßt mich laufen um eurer Seligkeit willen.«
»Da hört ihr's!« Betkin drehte sich mit seinem Pferd im Kreis herum und scheuchte die Leute ins Dorf zurück. »Los, ab, geht die Kühe melken.« Wie eine Herde trieb er sie vor sich. Sein letzter Blick galt dem Pilger aus Jerusalem. »Und du: Mach, daß du nach Hause kommst und wieder dein Mehl mahlst und deine Bede zahlst!«
Endlich war Jakob Rehbock wieder allein. Er sank zu Boden und betete.
KAPITEL 8
1348 – München
M einhard von Attenweiler hatte sich um Mitternacht in ihr Schlafgemach geschlichen und seither die dralle Elisabeth Purucker mehrmals bedient. Doch sie war noch immer nicht gesättigt, umschlang ihn nun mit Armen und Beinen und rollte ihn herum, und es schien ihm, als wäre er in einen Trog mit Hefeteig gefallen.
»Wacker, mein schwarzer Hengst!« schrie sie.
Da entlud er sich schmerzvoll zuckend zum letzten Mal in ihren Schoß und beschloß zugleich, bis zum Jahresende keine Frau mehr anzurühren. Meinhard stemmte sich hoch, ließ sich zur Seite fallen und griff nach der Rotweinflasche.
»Du verdammter Taugenichts«, sagte Elisabeth.
Meinhard lachte und sang.
Der deutsche Mann ist wohlgestaltet,
und recht wie Engel schaun die Weiber drein.
Wer sie schmäht, der ist erkaltet,
Wie könnte dies auch anders sein.
Elisabeth klatschte in die Hände. »Walther von der Vogelweide in meinem Hause – oho!«
»Walther von der Vögelweide wäre besser«, merkte Meinhard an und mühte sich aus dem Bett. Denn draußen wurde es hell, und es war besser, daß er ging, bevor die Mägde kamen.
»Also abgemacht«, sagte Elisabeth. »Du reitest nach Brandenburg und siehst nach, wohin sie meinen Mann verschleppt haben. Das Lösegeld liegt oben auf der Truhe.«
»Ich weiß.«
»Zuletzt soll er in einem Nest zu tun gehabt haben, das mit G anfängt …«
»Gransee«, gähnte Meinhard von Attenweiler.
»Wenn du ihn heil nach Hause bringst, will ich alle deine Schulden zahlen.«
»Hab ich eben nicht genug getan für dich?«
»Das bißchen!«
Meinhard schlüpfte schnell in die Hose, ehe sie ihn abermals zu packen bekam. »Laß mich los, sonst schreie ich!«
Elisabeth hatte sich aufgerichtet und sah ein wenig mitleidig zu, wie sich ihr armer Ritter nicht eben fürstlich kleidete. Zwar war sein Umhang aus schwarzem Samt, doch zeigte er schon etliche Flecken und Mottenlöcher.
»Nackt bist du ein junger Gott«, urteilte sie. »Doch in Kleidern fast ein Bettelmönch.«
»Hätte ich mein Kettenhemd anlegen sollen?« Meinhard war ans Fenster getreten, um in den Hof hinabzusehen, wo viele hochbepackte Wagen standen. »Sohn eines reichen Kaufmanns müßte man sein …«
»Auch da wärst du nur geworden, was du bist: ein Abenteurer, ein Raufbold, ein Weiberheld.«
»Immerhin ein Held. Du vergißt, daß ich bei Meister Eckart in Paris gewesen bin, daß ich in Florenz, kaum war die Universität gegründet, das studiert habe, was man studieren kann, daß ich mit Odorico di Pordenone aus Bagdad und Konstantinopel zurückgekommen bin.«
Das war im Jahre 1330 gewesen, und er hatte schon als Zwanzigjähriger viel von der Welt gesehen. Geboren worden war er auf Zypern, wo sein Großvater nach dem Siebten Kreuzzug und der Vertreibung der Christen aus dem Heiligen Lande hängengeblieben war. Sein Vater Ruprecht war mit ihm 1325 nach Bayern zurückgekehrt und hatte sich bemüht, als Kämmerer beim Markgrafen von Ansbach unterzukommen, denn schließlich stammten sie aus dieser Gegend, doch die Sache hatte sich zerschlagen, so daß er es in München versucht hatte. Ludwig IV. war von ihm sehr angetan gewesen und hatte Ruprecht von Attenweiler, weil der fließend Italienisch sprach, für zwei Jahre mitgenommen nach Mailand und Rom, wo dann die Krönung zum König und Kaiser stattgefunden hatte. Meinhard – mal in der Obhut dieser und mal jener Dame – war mit seinem Vater umhergezogen und hatte die Zeit genutzt, sich viel Wissen anzueignen, aber auch den Gebrauch des Schwerts zu erlernen. Seine Mutter Johanna entstammte dem venezianischen Adel, war aber nicht eben begütert gewesen und schon bald nach seiner Geburt verstorben.
Jetzt war Meinhard von Attenweiler achtunddreißig Jahre alt und eigentlich überzeugt davon, daß es in seinem Leben nur noch
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