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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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willst bei allen Heiligen oder bei dem einen Heiligen, der dein Fürsprecher sein soll vor dem Throne des Herrn, was aufrichtig ist und wohl und recht?«
    »Ich will's!« antwortete Jakob Rehbock, der nur noch das eine dachte: Ich bin wirklich Waldemar! Ich bin wirklich Waldemar!
    »So sag uns, wer du bist, was du willst, von wo du kommst, wohin du gehst, ob dich ein guter Geist geleitet hat – oder ein Geist der Finsternis. Und so du der bist, für den wir dich in der Schwachheit unserer Sinne erkennen, was ist deine Absicht hier? Denn einer, der im Grabe lag für ein Vierteljahrhundert, den wecket nur ein Wunder.«
    »Amen!« riefen alle Geistlichen im Saal, und es waren derer viele.
    »Daß wir das erkennen können, öffne den Mund«, fuhr Otto fort, »denn wir alle sind schwach, daß wir das Wunder begreifen.«
    Unauffällig stieß Henning von Nienkerken den Müller nach vorn. »Alles so, wie ich dir's eingegeben habe«, zischte er noch.
    Rehbock erklomm mit zitternden Knien das kleine Podest, auf der die Tafel Ottos stand, und sah auf die Festversammlung hinunter. Sein Blick suchte Henning von Nienkerken, dann aber entdeckte er Elisabeth, die Begine. Aus ihren Augen kam die Kraft, die ihn jetzt trug.
    »Wohl weiß ich«, hub Rehbock an, »daß euer Glaube stark sein muß und Eure Güte groß, so ihr meinen Worten Glauben schenken wollt. Und ich kann es auch nicht fordern von euch, denn was hat einer zu fordern, der als armer Pilger und als Bettler kommt und einst aus freien Stücken hingab, was an irdischer Macht er hatte.« Dies waren noch die Worte, die Henning von Nienkerken ihm eingebleut hatte, nun aber geschah, was ihn ein wahres Wunder deuchte, denn die Sätze kamen plötzlich aus ihm selber, sie strömten aus einem verborgenen Quell, der in ihm war, aus dem eigenen Kopf und Herzen. Jetzt spielte er den Waldemar nicht mehr, jetzt war er nicht mehr der Müller Rehbock, sondern wirklich der Markgraf Waldemar, der heimgekommen war. »Ich fordere nichts, und was ich will, das will ich nicht für mich. Ich komme auf den Ruf dessen, der mich gesandt hat, und an ihm ist es, Euch den Glauben an mich einzugeben. Gelingt es, so ist es sein Werk. Gelingt es nicht, so war ich ein zu schwaches Werkzeug in seinen Händen. Zerbrecht es, und er wird ein besseres wecken. Wie soll ich euch, ihr Jungen, beweisen, daß ich es bin, der alte Markgraf Waldemar? Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Mit diesem Worte aus dem Matthäusevangelium bin ich damals losgezogen, im Jahre des Herrn 1319. Ihr waret Kinder zumeist, als ich ein Mann war, und die wenigen, die ihr graue Haare habt wie ich, wer von euch kannte mich genau? Und wer mich damals kannte, kennt er mich noch heute? So vieler Jahre Sonnenglut, so vieler Winter Schnee und Stürme wandeln den Menschen. Diese Arme, die einst Schwert und Lanze schwangen, mußten andere Arbeit tun. Das Grabscheit in der Hand, den Pflug, den Wassereimer, zentnerschwere Steine und giftigen Mörtel, so verdiente ich mein täglich Brot und stieg mit schweren Lasten steile Felsen hinauf. Syriens glühende Sonne brannte mich fast ebenso wie der Sarazenen Hohn, deren Gefangener ich lange Jahre war, immer in Ketten. Da wandelt mancher gute Mann sich um.«
    »Er macht seine Sache gut«, murmelte Henning von Nienkerken und hätte Rehbock am liebsten die Hand geschüttelt. Das war eine Meisterleistung und nahm allen Ungläubigen den Wind aus den Segeln. Der hohe Fürst war also ein Gefangener der heidnisch-wilden Sarazenen gewesen. Und wenn er den Arm aufhob, konnte man förmlich die Ketten klirren hören, mit denen er festgeschmiedet gewesen war. Zwei Brandenburger, zufällig im Saale, stürzten nach vorn und warfen sich vor Rehbock zu Boden. Der Erzbischof hieß ihm noch einen Becher vom kostbarsten Weine kredenzen und bat ihn, sich erst auszuruhen, bevor er weiter Bericht erstattete.
    Fehlte bloß noch, dachte Henning von Nienkerken, daß der Kerl nicht einmal in Jerusalem gewesen ist und mich auch darin belogen hat.
    Rehbock las die Zweifel im Gesicht des Ritters. Aber was machte das schon. Er trank und genoß seinen Auftritt. Er war überzeugt, ein guter Waldemar zu sein. Jetzt war es Zeit, in der großen Rede fortzufahren – von Minute zu Minute wurde er besser; er ließ sich vom eigenen Schwung mitreißen.
    »Ich danke Euch für diesen Labetrank, aber wessen Zeit bemessen ist, der darf nicht ruhen. Auch ziemt es mir nicht, Eure

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