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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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geschehen konnte, ohne daß der Markgraf es wußte. Das war kein Ruhmesblatt für Ludwig. Kein Wunder, daß die Leute den falschen Waldemar bejubelten.
    Sie tranken weiter und wurden immer bessere Freunde. Als sie die Flasche geleert hatten, seufzte der junge Kuneke tief und schmerzlich.
    »Was ist?« fragte Meinhard.
    »Ich muß gleich wieder auf den Turm und wäre doch viel lieber in der Stadt bei meiner Liebsten.«
    »Das ist …?«
    »… die Margaretha, die Tochter vom Böttchermeister Lampert. Aber viele Burschen sind hinter ihr her. Und wenn ich hier auf dem Turm Nachtwache halte, dann …«
    Ausgerechnet mir mußt du das sagen, dachte Meinhard, wo ich so ausgehungert bin nach jeglicher Minne. »Soll ich sie schön grüßen von dir?«
    »Danke, doch ich muß schon selber gehen. Ich hab da auch schon eine Idee …«
    »Und die wäre?«
    »Ich verstecke Euer Pferd da drüben im Busch – und dann steigt Ihr für mich bis Mitternacht den Turm hinauf …«
    Meinhard zuckte bei dem Gedanken zusammen und winkte ab. »Das wäre nichts für mich.«
    Doch Kuneke ließ nicht locker und griff zu einer List. »Und wenn ich Euch dafür Gewißheit bringe, ob Euer Freund Purucker wirklich bei Hans Lüddecke eingesperrt ist …?«
    »Wie willst du das schaffen?«
    »Ein Vetter von Margaretha ist bis vor kurzem Knecht bei Lüddecke gewesen und dann im Zorne abgesprungen bei ihm.«
    Meinhard zögerte nicht lange. »Nun gut.« Sie reichten sich die Hände, der Vertrag war geschlossen. »Was muß ich tun?«
    Kuneke gab ihm das Horn, das er sich an einer dicken Schnur um den Hals gehängt hatte. »Wenn Feinde in Sichtweite sind, dann gilt: Ein Ruf aus diesem Horn ist der Alarm für die Wächter auf den Toren. Stoßt Ihr zum zweiten Mal hinein, dann sammeln sich die Wachmannschaften auf den Mauern. Und beim dritten Male wird es Ernst, da gebt Ihr das Signal dreimal schnell und ausholend. Das heißt dann: Feind im Angesicht der Stadt, oder den Herden auf der Weide droht höchste Gefahr. Dann wird die Trommel vor dem Rathaus gerührt, und alles, was Waffen tragen kann, stürzt aus dem Haus.«
    Meinhard nahm das Horn und nickte. »Gut, dann beeil dich mit deiner Minne, daß ich nachher noch in die Stadt kann, bevor sie die Tore schließen.«
    »Ich verspreche es.«
    »Und wenn jemand kommt?«
    »Haltet Ihr Euch so, daß Ihr nicht gesehen werdet und antwortet mit einer Stimme, die meiner gleicht.«
    »Nun gut.« Es war ein Abenteuer, das Meinhard nur erheiterte.
    Kuneke führte Meinhards Pferd ins Gebüsch und schlich sich dann an der Stadtmauer entlang, wo er einen geheimen Durchschlupf wußte.
    Meinhard kletterte auf die erste Plattform hinauf und zog dann die Leiter ein. Sicher und behaglich wie ein Urmensch in der Höhle fühlte er sich. Er verschloß die gepanzerte Pforte und stieg die Wendeltreppe nach oben, um die Aussicht zu genießen.
    Das Grün ringsum war von einer Monotonie, die traurig machte. Er dachte an das bunte Treiben in Siena, an die Vielfalt und die lichten Farben dort. Er breitete die Arme aus, und wäre er ein Vogel gewesen, er hätte sofort abgehoben und wäre in Richtung Süden geflogen – nicht nach Siena, sondern nach Berlin zu Leah. Er flüsterte einige Verse, dann lehnte er sich an die Brüstung und blickte den weißen Wolken nach, die Richtung Süden zogen.
    Bald war er eingeschlafen.
    Kuneke lag mit seiner Margaretha im Heu und tat sich gütlich an ihr. Sie waren so versunken in sich und ihr Spiel, daß er alles andere vergaß.
    Plötzlich läutete die Sturmglocke wie wild, und die Trommeln fielen ein, Schwertergerassel und Eisenklirren erfüllte die Stadt, Frauen und Kinder zeterten, und die Männer schrien sich zu: »Hans Lüddecke war da! Unser Vieh, unser Hab und Gut!«
    Kuneke brauchte nur Sekunden, um zu begreifen, was geschehen war: Der Fremde aus dem Süden hatte vergessen, ins Horn zu stoßen. Damit hatte der Meinhard sein Leben verwirkt, und er, Kuneke, wohl auch. Jetzt mußten sie beide hängen. Ihm blieb nur die heimliche Hoffnung, daß die räuberischen Ritter den Granseern den Garaus machen würden.
    Doch die Gewappneten waren unter ihren Hauptleuten und Zunftmeistern herausgestürzt und brachen nun aus dem Tor, um Hans Lüddecke und seinen wilden Troß zu jagen. Zuerst nur wenige, dann viele, dann alle. Hans Lüddecke und seinen Leuten verging Hören und Sehen. Auf dem Felde kamen sie mit ihren vollbeladenen Wagen nur langsam voran, und auch das Vieh ließ sich schneller nicht

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