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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Wind, der von der Ostsee kam, und die sinkende Sonne färbte das Weiß im Tuch kupfergolden ein.
    Der Türmer, ein schlanker junger Mensch mit flachsblondem Haar, erschien in einer schmalen Maueröffnung, die sie über Mannshöhe angebracht hatten. Zu ebener Erde gab es keinen Zugang zum Turm, man mußte erst eine Leiter anlegen und eine Tür aufschließen, um ins Innere zu gelangen. Die Pforte war aus starken Eichenbohlen gefertigt und mit Eisen beschlagen, und wenn der Türmer hinter sich die Leiter hochgezogen hatte, konnte ihm keiner mehr den Garaus machen.
    »Woher des Wegs!?« schrie ihm der Türmer entgegen.
    Meinhard brachte seinen Braunen zum Halten. »Von Zehdenick.«
    »Und was wollt Ihr in der Stadt?«
    Meinhard mochte es nicht, so ausgefragt zu werden. »Türmer werden in Gransee.«
    »Dafür haben sie mich, den Hensel, den Lemko und den Otteke. Da nehmt mal Euren Gaul und zieht weiter nach Stralsund.«
    »Nicht ohne mit dir einen Schluck Roten getrunken zu haben.« Meinhard zog eine Flasche aus der Satteltasche. »Du bist ein wackerer Bursche, hast das Herz auf dem rechten Fleck und erinnerst mich an meinen Bruder drunten im Süden.«
    Der Türmer zögerte. »Das ist mir aber strengstens verboten vom Rat.«
    »Laß nur, ich bin auf dem Wege zum Bürgermeister.«
    »Wer seid Ihr denn nun?«
    »Meinhard Attenweiler aus Nürnberg, Waffenhändler.«
    »Ohne Wagen, ohne Ware …?«
    »Die Buschräuber haben mir alles abgenommen, kurz vor Berlin. Ich hoffe, den Markgrafen Waldemar hier in Gransee zu treffen, damit er mir alles ersetzen läßt.«
    »Ich glaub's Euch ja.«
    »Dann komm herunter …« Meinhard sprang vom Pferd. »Wie heißt du eigentlich?«
    »Kuneke.«
    Meinhard zog den Korken aus der Flasche. »Dann komm, Kuneke, sonst trink ich selber alles aus.«
    Der Türmer zögerte nicht länger und ließ seine Leiter herunter. »Ein armer Wärter, der um zwei Pfennige den Tag zu dienen hat, kann sich nicht leisten, einen Schluck Wein auszuschlagen.« Damit kam er herabgestiegen.
    Kurz darauf saßen beide zusammen, leerten die Flasche und kamen ins Schwätzen.
    »Ist der Turm da uneinnehmbar?« wollte Meinhard wissen.
    »Das will ich wohl meinen!«
    Meinhard schmunzelte. »Aber hundert Schultern tragen in einer Stunde viel Reisig zusammen, und hundert Hände schlagen viele Bäume nieder. Das gibt ein Feuer, das dich röstet, und deine Feinde singen Lieder des Spottes, während du qualvoll erstickst.«
    »Das fürchte ich viel weniger als die Nächte, wo ich auf der Lauer liege und lausche, wie die Eulen schreien und die Wölfe heulen. Am Schritt des Fuchses muß ich erkennen, ob anrückende Feinde ihn aufgescheucht haben oder er von sich aus auf Beute geht. Ich muß das Sternenlicht und den Mondschein berechnen, wo es hinfällt zu jeder Stunde, um zu erkennen, was nicht geheuer ist. Und wenn die Stürme heulen, daß meine Warte wankt, da bete ich dann, daß der Morgen endlich kommen möge und die bösen Geister endlich weichen. Wo der Mensch so allein ist wie auf solchem Turm, da hat der Teufel leichtes Spiel mit ihm.«
    Meinhard bewunderte die stille Poesie in den Sätzen des Türmers. »Du hast ihm aber immer widerstanden?«
    »Ja. Aber fast jede Nacht will er mich dahin bringen, einmal einzuschlafen. Und wenn dann die Feinde kommen, werden sie mich hängen in der Stadt.« Kuneke schüttelte sich.
    Meinhard hakte nach. »Wer ist denn in letzter Zeit in Gransee alles so gehenkt worden?«
    »Zuletzt der Stoffel, der ein Spießgeselle vom Hans Lüddecke war.«
    »Wer ist das: Hans Lüddecke?«
    Kuneke wunderte sich über die Unkenntnis des Reisenden. »Der Ritter vom roten Haus, das ist nach Lindow hin, ein verschlagen böser Feind. Wenn die Kinder nicht gehorchen wollen, rufen die Mütter: ›Der Hans Lüddecke kommt!‹ – und schon sind sie still. Zwölf Meilen in der Runde ist er gefürchtet wie kein zweiter. Er raubt unsere Herden und sagt, daß die Bürger von Gransee seine besten Ochsenjungen sind. Und er hat schon manchen Kaufmann verschleppt und bei sich im Keller versteckt, bis das Lösegeld gekommen ist.«
    Meinhard horchte auf. »Hast du zufällig gehört, ob er auch einen Kaufmann aus München bei sich hat, den Purucker?«
    »Nein, das weiß ich nicht. Aber es liegen immer welche bei ihm tief unter der Erde im roten Haus, manche viele Jahre lang.«
    »Hier, trink!« Meinhard war glücklich, eine Spur gefunden zu haben, fragte sich aber zugleich, was für ein Land das war, wo so etwas

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