Der letzte Aufguss
noch das Sprichwort: Wer in England gut essen will, muss
dreimal frühstücken.
Sie schien keine Antwort auf ihre Essenseinladung zu erwarten.
Vermutlich weil sie davon ausging, dass er sie annahm.
Was Bietigheim, bei allem Interesse für fremdländische Sitten, auf
gar keinen Fall machen würde.
»Henry!«, brüllte sie in einer Lautstärke, die ein AC/DC-Konzert
leise erscheinen lieÃ. »Knöpf dir die Hose zu und mach den Fernseher aus, mein
neuer Professor ist da. Der aus Deutschland.« Sie wandte sich wieder an
Bietigheim. »Henry ist mein Mann.«
Mit kleinen Schritten ging Beatrice vor ihm her in Richtung
Wohnzimmer. Es war ausgesprochen ordentlich. SchlieÃlich war die englische
Hausfrau auch angehalten, das Eigenheim jederzeit so perfekt aussehen zu
lassen, dass man sich nicht schämen muss, falls plötzlich die Queen zum Tee
vorbeikommt.
Henry war immer noch dabei, sich die Hose zuzuknöpfen. Scheinbar
verlangte ihm das alles ab.
»Nun mach doch endlich den Fernseher aus!«
»Da laufen die News, die werden den Professor sicher auch
interessieren. Ist doch so, Professor? Nachrichten haben Sie doch auch in
Deutschland.«
»Ja, so weit sind wir auf dem Kontinent dann schon.«
»Siehst du, Bea«, sagte Henry triumphierend und lieà sich wieder in
seinen Fernsehsessel mit ausgeklappter FuÃstütze fallen.
»Hat Ihnen der Tee geschmeckt, den ich Ihnen gekauft habe?«, fuhr
Beatrice Pond fort. »Ich selber hab ja keine Ahnung von so was, hab einfach auf
den teuersten gezeigt.«
Gut, dachte Bietigheim, damit hatte sich sein Besuch erübrigt. Eine
vielversprechende Spur weniger. Dafür eine geschwätzige Putzfrau mehr.
Die plötzlich eine Kamera in Händen hielt.
»Darf ich?«
Bevor Bietigheim etwas dagegen tun konnte, hatte sie Benno von Saber
schon fotografiert.
»So ein SüÃer. Und so wohlerzogen.«
»Er hofft noch, dass er bei Ihnen etwas zu essen bekommt. Wenn er
begreift, dass dies nicht der Fall ist, könnten Ihre Gardinen Schaden nehmen.«
Beatrice Pond beugte sich zu Benno hinunter und tätschelte ihm den
Kopf. »Na, du SüüüÃer! Natürlich bekommst du gleich ein feines Fresschen.«
»Machen Sie Fotos von allen Tieren, in deren Häusern Sie putzen?«
»Na ja, ich fotografiere halt gern. Aber nur Tiere. Das ist mein
Hobby. Warten Sie, da zeige ich Ihnen gleich was. Das wird Ihnen gefallen.
Deutsche sind doch so tierlieb. Schäferhunde und Dackel gibt es bei Ihnen ja
ganz viele.«
»Die Städte quellen über davon«, sagte Bietigheim, begriff aber im
selben Moment, dass er bei Mrs Pond mit Ironie an der falschen Adresse war. Sie
tippelte zu ihrem Computer, der auf einem grauen Wägelchen stand, das so
überhaupt nicht zur sonstigen Einrichtung passte.
»Ich habe schon über sechsundzwanzigtausend Fotos! Am meisten
Treffer hat man natürlich in der FuÃgängerzone oder auf dem Marktplatz. Das ist
mein bevorzugtes Jagdrevier.« Sie kicherte auf eine ausgesprochen nette und
gleichzeitig gemütliche Art. Dann klickte sie auf die Tastatur, und Dutzende
Fotos erschienen. Allesamt von Vierbeinern.
»Hier, die in dem Ordner habe ich heute erst gemacht. Ist dieser
Corgi nicht allerliebst â und mit einem der SchoÃtiere der Queen verwandt,
können Sie das glauben?«
»Unfassbar.«
»Bei dem Mastiff hier musste ich natürlich mit Weitwinkel arbeiten,
sonst bekommt man solche Brocken nicht aufs Bild. Jetzt sieht man leider auch
den ganzen StraÃenzug und die Geschäfte. Aber ein schönes Tier, nicht wahr?
Prachtvoll. Und dann habe ich noch â¦Â«
Doch der Professor hinderte ihre Hand am Weiterklicken. »Können Sie
das vergröÃern?« Er deutete auf einen Bildausschnitt im Hintergrund. »Und Sie
sind sich ganz sicher, dass Sie dieses Foto heute aufgenommen haben? Oder ist
es vielleicht nur zufällig in diesen Ordner gerutscht?«
Beatrice Pond hob stolz ihre digitale Spiegelreflexkamera hoch. »Was
dieses Wunderwerk schieÃt, wird immer korrekt datiert und abgelegt. Ordnung ist
das halbe Leben!«
»Gut, ich wollte nur sichergehen«, sagte Bietigheim und merkte, wie
er vor Aufregung kurzatmig wurde. »Jetzt zoomen Sie den Ausschnitt heran. Bitte
schnell.«
Beatrices wurstdicke Finger lieÃen den Mauszeiger über den
Bildschirm huschen, und nach wenigen Klicks sah Bietigheim das
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