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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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mussten fachmännisch gedämpft, getrocknet und in einer eigens
dafür angeschafften Steinmühle zu Pulver gemahlen werden. Ein unfassbarer
Aufwand, vor allem für diese kleine Menge. Wirtschaftlich ist das nicht zu
begründen, es fällt eher unter PR. Wissen Sie schon, ob Sie das Projekt über dieses
Jahr hinaus fortführen werden? Zwei Ihrer Studenten betreuen es ja zurzeit,
doch wir wüssten gerne, wie es weitergehen wird.«
    Dem Professor war gar nicht bewusst gewesen, dass das Projekt auf
der Kippe stand. Er nahm einen Schluck Tee, um Zeit zu gewinnen. Dieser war
wirklich vorzüglich – keine naturidentischen Aromen und auch nicht zu viel
Bergamotte, die das feine Aroma des Assamtees überdeckt hätte.
    Bietigheim traf einen Entschluss. Schließlich hatte er nun den
Lehrstuhl für Kulinaristik inne!
    Â»Wir werden es selbstverständlich fortführen. Alles andere wäre eine
Schande.«
    Â»Das freut uns zu hören.«
    Â»Gerne schaue ich mir die Anlage mal an. Ich bin allerdings wegen
etwas ganz anderem hier. Es geht um meine persönliche Sicherheit, deshalb frage
ich Sie frei heraus: Haben Sie vielleicht eine Vermutung, wer meine beiden
Vorgänger ermordet haben könnte? Etwas, das Sie der Polizei lieber nicht sagen
wollten, weil es Ihnen zu vage erscheint?«
    Sie atmete tief durch. »Nein. Der 17. Earl von Shropsborough ist mit
seiner forschen Art sicher bei vielen angeeckt, aber sein Nachfolger Jonathan
war eine Seele von Mensch.«
    Â»Das Mordmotiv muss etwas sein, das sie verbunden hat. Vielleicht
ihre Arbeit hier?«
    Â»Nein.« Dame Wenbosca schüttelte energisch den Kopf. »Dieses Projekt
bietet wahrlich keinen Anlass zu Morden. Es ist ausgesprochen klein, es steht
in keiner Konkurrenz zu irgendjemandem, und bevor Sie fragen: Das Land, auf dem
es durchgeführt wird, gehört uns schon seit Jahrhunderten, es wurde also kein
armer Bauer dafür übers Ohr gehauen.«
    Â»Sie missverstehen mich. Was, wenn die beiden während ihrer Arbeit
hier auf etwas gestoßen sind, was sie nicht wissen durften? Und wenn sie
deshalb zum Schweigen gebracht werden mussten?«
    Â»Das fragen Sie mich? Ernsthaft?« Ihre Stimme gewann an Schärfe. »Wenn
es hier so etwas gäbe, dann wüsste ich davon.« Dann zwang sie sich wieder, eine
freundliche Miene aufzusetzen. »Wissen Sie, ich kann Ihre Sorge verstehen.
Solange der Mörder frei herumläuft, sind Sie nicht sicher. Aber glauben Sie mir
bitte, wenn ich sage, dass Tregothnan Estate nichts mit den Morden zu tun hat.«
Sie nahm einen großen Schluck Bier. »Tee ist flüssige Weisheit, das ist unser
Motto. Und danach leben wir, danach behandeln wir unsere Mitarbeiter und unsere
Geschäftspartner.«
    Â»Es war eher Cleesewoods Projekt, nicht wahr?«
    Sie nickte und nahm noch einen weiteren Schluck Bier, bevor sie
antwortete. Ihre Kehle musste ausgesprochen trocken sein. »Es war eine echte
Herzensangelegenheit für ihn. Der Earl von Shropsborough hatte nur die
Grundlagen gelegt, Gelder aufgetrieben, ein bisschen die Werbetrommel gerührt.
Das konnte er gut. Besser als jeder andere. Aber nachdem das erledigt war, hat
er alles andere Jonathan überlassen.«
    Â»Wer war der Ansprechpartner vor Ort?«
    Â»Der Earl hatte mehr mit meinem Mann zu tun, Jona„than mit mir, wir
haben das Projekt zusammen umgesetzt.«
    Bietigheim löffelte sich Marmelade auf seinen Scone, bevor er die
nächste Frage stellte. Damit sie beiläufiger wirkte, als sie eigentlich war.
    Â»Wissen Sie etwas über die sechste Schale?«
    In ihrem sonnengebräunten Gesicht tauchte ein Lächeln auf. »Oh, ja.«
    Â»Was hat es damit auf sich?«
    Â»Jonathan wollte unseren Matcha-Tee so nennen, aber das hat er
keinem verraten.«
    Â»Warum sechste Schale?«
    Â»Das wollte er nicht sagen. Es schien für ihn eine besondere
Bedeutung zu haben. Er sagte immer, es sei in mehrerlei Hinsicht in seinem
Leben wichtig. Und unser Tee würde dem Matcha endlich seinen verdienten
Stellenwert in unserem Land einbringen. Er war fest davon überzeugt, dass es der
gesündeste aller Tees ist. Das Geheimnis um die sechste Schale wollte er auf
der Pressekonferenz zu unserem ersten Matcha lüften.«
    Â»Und wann wird die stattfinden?«
    Â»Sie hätte eine Woche nach seinem Tod stattfinden sollen. Doch wir
haben alles abgesagt. Es schien uns nicht

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