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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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den
Tisch. »Die hier, von Ihren ermordeten Vorgängern.«
    Â»Wedeln Sie jetzt den Leuten mit meinem Privateigentum unter der
Nase herum? Und wie sitzen Sie überhaupt da? Lungern Sie in Ihrem Taxi auch so
krumm?«
    Â»Das ist gut für den Rücken. Wollen Sie jetzt die Pointe hören oder
nicht?«
    Bietigheim schwieg. Natürlich wollte er die Pointe hören.
    Â»Gut. Also, in dem kleinen Fotoladen machen sie die Abzüge noch
selbst, und diese besonderen Bilder sind ihnen aufgefallen. Die Fotos hat
jemand aus Zeitungen abfotografiert, mit ziemlich viel Aufwand.«
    Bietigheim brummte zustimmend. Pit war anscheinend ganz allein auf
eine gute Idee gekommen. Noch dazu eine, auf die er selbst nicht gekommen war.
Hoffentlich wurde das nicht zur Regel.
    Â»Der Auftraggeber ist einer ihrer Stammkunden. Aber leiden können
sie ihn deshalb nicht. Ganz im Gegenteil. Der Mann ist ein Kotzbrocken
allererster Güte.«
    Bietigheim sah auf. »Töler?«
    Pit nickte, woraufhin der Professor in den Flur rannte und seinen
Mantel vom Haken nahm. »Dieses Furunkel am verlängerten Rücken des
Leibhaftigen! Der bekommt jetzt Besuch!«
    Wenig später stand Bietigheim in Begleitung von Benno vor dem
Institut für Gastrochemie, das von Professor Töler geleitet wurde. Als er, ohne
zu klopfen, die Tür zum Sekretariat aufriss, wurde ihm schlecht. Denn es roch
nach Minze, diesem krautigen Lippenblütengewächs, dessen Genuss der Professor
mit Delikten wie Fahrraddiebstahl und Katzenertränken gleichsetzte. Wie konnte
man sich diesem Zeug nur verschreiben?
    An den Wänden des kleinen Raums hingen DIN-A1-Kopien der Umschläge
von Tölers Büchern. Eines hatte er über Minzsauce verfasst, unter besonderer
Hervorhebung des Zitronensaftes als Ingredienz, eines über Minze in Zahnpasta
(keine kulinarische Arbeit!), außerdem eine Geschichte des After Eight
(käuflich war er also auch!) und ein Werk über Minztees (dabei war dieser nur
teeähnlich!). Dass er noch nichts über Minzeinlagen für Schweißfüße geschrieben
hatte, grenzte an ein Wunder.
    Bietigheim hatte keine guten Erinnerungen an Minze. Als er
seinerzeit in der mündlichen Magisterprüfung gefragt worden war, welche Minze
für die Joghurtgetränke Ayran und Dugh Verwendung findet, hatte er einfach
nicht gewusst, dass es die Nane-Minze ist – was ihm die perfekte Abschlussnote
zerstört hatte. Seitdem war diese Übelkeit da, sobald er auch nur das Wort
Minze in den Mund nahm.
    Bietigheims stürmischer Auftritt hatte den Institutsleiter aus
seinem Büro gelockt.
    Â»Professor Töler«, sagte Bietigheim. »Wie ich heute erst erfahren
habe, ist es Ihnen zu verdanken, dass ich grausige Fotos meiner toten Vorgänger
in meinem neuen Domizil entdecken musste.«
    Â»Mein lieber Kollege!«, antwortete Töler und grinste breit. »Das
habe ich aus purer Freundlichkeit getan, damit Sie wissen, auf welch unsinniges
Abenteuer Sie sich eingelassen haben. Wollen wir in mein Büro gehen? Heute
Nachmittag wird es noch geputzt, da macht es nichts aus, wenn Sie es noch
beschmutzen.«
    Im Vergleich zu Tölers Büro nahm sich Bietigheims Zimmer wie ein
Maharadscha-Palast aus. Die Tür war klein, das Fenster war klein, der
Schreibtisch war klein – passte alles wunderbar zu Tölers geistigem Horizont.
Dahinter standen einige zusammengelegte Umzugskartons. Hier plante jemand ganz
offensichtlich, das Quartier zu wechseln.
    Die Kartons waren nicht weniger als ein Mordmotiv. Zumindest wenn
der Täter ein Ego von der Größe des Buckingham Palace hatte und sich zu Höherem
berufen sah – wie es bei Töler der Fall war.
    Bietigheim zog einen der Kartons wie beiläufig hervor. »Ich weiß
selbstverständlich, dass Sie sich nicht ernsthaft um den Lehrstuhl beworben
haben, den ich nun bekleide. Sonst hätten Sie ihn sicher auch erhalten. Dabei
hatte ich Ihnen gewünscht, schon der Nachfolger vom Earl von Shropsborough zu
werden, leider traf es ja Cleesewood. Aber wenn man solch ein geräumiges
Institut wie das Ihre seine Heimat nennt, kommt es einem natürlich nicht in den
Sinn, eine besser dotierte und weitaus renommiertere Position anzustreben.
Schuster, bleib bei deinem Leisten, war schließlich immer Ihr Leitspruch. Daran
merkt man Ihre Weisheit.«
    Â»Darf ich Ihnen einen Minztee anbieten? Leider ist er gesund, aber
vielleicht wirkt er

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