Der letzte Aufguss
Fahrradhändler. Es ist Jahre her, seit ich
wissenschaftlich gearbeitet habe.«
»Das verlernt man nicht. Genau wie ⦠Fahrradfahren.« Nun war es an
Bietigheim zu lächeln.
»Was hat Ihr Hund? Er würgt plötzlich so.«
»Zu viel Blauschimmelkäse verschlungen.«
Colin legte schnell eine alte Zeitung vor Benno auf den Boden. Der
Professor kniete sich neben den Foxterrier und strich ihm beruhigend über das
Fell.
»Es geht nicht um eine Vollzeitstelle«, erklärte er. »Ich benötige
nur jemanden, der meine Vorträge halten und verstehen kann. Es wäre Ihr
Wiedereinstieg in die akademische Welt.«
»Und mein Laden?«
»Pit kann Sie vertreten.«
» Bitte ?« Pit hob seine Pranken, um zu
zeigen, dass man damit zwar ohne zusätzliche Werkzeuge Nägel in die Wand hauen
und Bäume entwurzeln, nie im Leben aber Schräubchen und andere Kleinteile
montieren konnte.
»Um wie viele Stunden in der Woche geht es denn?«, fragte Colin, und
der Professor wusste, dass er ihn an der Angel hatte.
»Nicht viele, höchstens acht oder so.« Es waren zwölf.
»Und die Themen?«
»Fast alles über Tee.« Zwei Seminare waren über Tee, die anderen
vier über völlig andere Themen.
»Das klingt tatsächlich machbar. Auch ohne die Hilfe von Pit. In der
Zeit ist der Laden dann eben geschlossen.«
»Sehen Sie!«, sagte Bietigheim und reichte ihm die Hand, um den Deal
zu besiegeln. Colin schlug ein. »Morgen um neun Uhr im Institut â keine Minute
später.«
Damit verlieà Bietigheim das Geschäft â mit Pit und Benno im
Schlepptau. Er war bester Laune, als er mit seinen beiden Begleitern kurze Zeit
später in die Pretoria Road bog.
Doch damit sollte es schnell vorbei sein.
Denn die Haustür stand sperrangelweit offen.
Benno war zuerst im Haus â obwohl der Professor ihm »Sitz!« befohlen
hatte. Wieder einmal wurde dem Professor klar: Auf Foxterrier war nur Verlass,
wenn es um Erdlöcher ging. Als Zweiter betrat Pit voller Empörung das Gebäude â
er konnte gar nicht fassen, dass jemand seine Schlösser überwunden hatte.
Bietigheim selbst näherte sich der Tür nur sehr langsam und achtete auf alle
Hinweise, die Garten, Kiesweg und Tür ihm gaben.
Der Einbrecher hatte nicht versucht, das Gitter vor dem Fenster zu
lösen, er war direkt zur Tür gegangen. Die Pretoria Road war keine
HaupteinkaufsstraÃe, aber unbelebt war sie auch nicht. Wer immer sich Zutritt
verschafft hatte, musste es schnell getan haben, sonst wäre er aufgefallen. Und
solche Schlösser öffnete kein Amateur, selbst kein begabter. Das schaffte nur
ein Profi.
Als der Professor das Kaminzimmer betrat, musste er feststellen,
dass der Boden fast vollständig mit Büchern und anderen Unterlagen bedeckt war â
der Einbrecher hatte alle Regale komplett geleert.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Bietigheim ging in die Diele und hob ab. Er versuchte, seinen Atem
zu kontrollieren, obwohl der Puls raste. Mit dem Einbruch war eine Grenze
überschritten worden, nirgends konnte er sich nun mehr sicher fühlen. Er war
wie die Maus, deren Schwanz von der Pranke einer Katze festgehalten wurde â
weil diese noch nicht wusste, ob sie weiterspielen oder gleich zuschlagen
wollte.
Ruhig atmen. Sich nichts anmerken lassen.
»Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim. Ich höre.«
»Mein lieber Professor, Sie klingen so schwach, als hätten Sie
letzte Nacht alle Damen im gröÃten Bordell Cambridges einer eingehenden Leibesvisitation
unterzogen, Sie alter Schwerenöter!«
»Frau zu Trömmsen, welche Ehre!«
Jeder Gedanke an den Einbruch war mit einem Mal verschwunden. Auch
die Angst war wie fortgeweht von einem frischen Wind. SchlieÃlich durfte er nun
mit Hildegard zu Trömmsen sprechen, der groÃen, unerfüllten Liebe seines
Lebens. Der Grande Dame der Hamburger Gesellschaft. Ihre Wangenknochen waren
wie aus Marmor gemeiÃelt, ihre Augen besaÃen das Blau des tiefen Ozeans und
ihre Lippen waren ein einziges, sündiges Versprechen. Schönere Stunden als mit
ihr hatte Bietigheim niemals verbringen dürfen, dabei hatten sie stets nur in
ihrem Grünen Salon gesessen, bei Tee, englischem Gebäck und philosophischen
Exkursen über Gott und die Welt.
»Mein lieber Professor, wer so gestresst ist wie Sie, der muss sich
entspannen. Gehen
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