Der letzte Aufguss
Sie in die Sauna. Das mache ich auch immer: meinen nackten
Körper den heiÃen Dämpfen aussetzen, bis ich aus jeder Pore schwitze. Das ist
göttlich.«
Bietigheim fühlte sich, als würde er jetzt aus jeder Pore schwitzen.
Allein die Vorstellung: Hildegard zu Trömmsen, nackt, wie Gott sie schuf â sein
Meisterwerk.
»Professor? Sind Sie noch da? Nun reden Sie doch, guter Mann!«
»Ja, Frau zu Trömmsen, ich bin noch da.« Körperlich zumindest,
geistig saà er bereits neben ihr in der Sauna.
»Vom Kriminalfall, in dem Sie zurzeit recherchieren, erwarte ich
einen zusammenfassenden Bericht. Es ist mir jetzt zu mühselig, Ihnen alles aus
der Nase zu ziehen. Als Dank für Ihre Abhandlung erzähle ich Ihnen meinen
liebsten Saunawitz. Dafür haben Sie doch sicher Zeit.«
»Selbstverständlich.«
»Eine Dame stürmt aus der Sauna und ruft: âºIch wurde unsittlich
berührt!â¹ Darauf der Saunawart: âºGnädige Frau, ich arbeite hier seit
fünfzehn Jahren, das ist noch nie vorgekommen.⹠Genau in diesem Augenblick
stürmt eine weitere Frau heraus und schreit: âºIch wurde gerade unsittlich
berührt!â¹ Der Saunawart ist fassungslos: âºDas kann nicht sein!â¹ Als
eine dritte Frau herausstürzt und ebenfalls schreit: âºIch wurde unsittlich
berührtâ¹, geht er in die Sauna und stöÃt auf einen Mann, der am Boden
herumkriecht. Auf die Frage des Saunawartes, was er da mache, antwortet der
Mann: âºIch suche mein Toupet, dreimal hatte ichʼs schon in der Hand, doch
dann warʼs plötzlich wieder weg â¦â¹Â«
Der Professor befand sich in Gedanken immer noch in der Sauna neben
Hildegard zu Trömmsen. Er brachte deshalb nur ein kurzes »Haha!« heraus.
»Also, ich finde diesen Witz ausgesprochen köstlich.«
Plötzlich stand Pit neben ihm. »Ich muss Ihnen was zeigen«, wisperte
er. »Dringend.«
Bietigheim hielt die Hörermuschel zu. »Später, jetzt habe ich keine
Zeit. Bitte gehen Sie!«
»Aber â¦Â«
»Sofort!«
Pit zog mürrisch ab, und Bietigheim sprach weiter in den Hörer. »Entschuldigen
Sie bitte, ich wurde unwirsch davon abgehalten, Ihrer Stimme zu lauschen.«
»Das habe ich wahrgenommen. Nun darf ich alles noch einmal sagen,
dabei macht das doch die Lippen spröde. Nun ja, für Sie, Professor, nur für
Sie: In der kommenden Woche werde ich mit dem Ost- und Westfriesischen
Schwarztee-Convivium in Cambridge eintreffen. Eine Einladung des London High
Tea Club ins beste Restaurant vor Ort â Midsummer House heiÃt es. Dort will man
uns demonstrieren, wie groÃartig die englische Küche ist. Dass ich nicht lache!
Diese englischen Teetrinker sind ein überhebliches Volk, lieber Professor.
Denen muss man mal ein wenig Demut beibringen. Deshalb habe ich ausgemacht,
dass Sie parallel etwas kochen werden, was die anwesenden Gäste so noch nie
gegessen haben. Ich gehe davon aus, dass dies für einen Mann Ihres Intellekts
und Ihrer Fähigkeiten nicht das geringste Problem darstellen wird.«
»Natürlich nicht.« Sauna. Hildegard zu Trömmsen. HeiÃer Dampf â¦
»Sie klingen immer noch leicht ⦠benebelt, lieber Professor. Ich nehme
an, das liegt am englischen Wetter.« Sie lachte, was für Bietigheim wie
Engelsgesang klang.
Für jeden normalen Menschen jedoch wie das Krächzen einer heiseren
Möwe.
»Apropos Krankheit, da muss ich Ihnen noch etwas Köstliches erzählen.«
Wieder tauchte Pit auf. Diesmal stellte er sich ganz nah vor ihn. »Professor,
das müssen Sie sehen. Und wir sollten endlich die Polizei rufen.«
»Erzählen Sie bitte das Köstliche. Ich brenne darauf!«
»Herrgott, ich fass es nicht«, rief Pit. »Dann mach ichʼs eben mit
meinem Handy!«
»Letzten Monat traf ich Drauzio Varella«, fuhr Hildegard zu Trömmsen
fort, »den brasilianischen Onkologen und Nobelpreisträger für Medizin. Sie
kennen ihn sicher, eine ausgesprochen reizende Persönlichkeit. So geistreich.«
Bietigheim spürte, wie sich eine kalte Faust der Eifersucht in
seinem Magen bildete. »Wie recht Sie haben, für einen Onkologen besitzt er
wirklich Witz. In Kulinaristikkreisen käme er mit diesem jedoch nicht weit, wir
sind nämlich â¦Â«
Doch da unterbrach ihn die Göttliche. »Nun seien Sie nicht
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