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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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gleich
eingeschnappt, mein Lieber. Sie wissen doch, dass Sie meine Nummer eins sind
und immer bleiben werden. Varella sagte mir also Folgendes: In der heutigen
Welt wird fünfmal mehr in Medikamente für die männliche Potenz und Silikon für
Frauen investiert als in die Heilung von Alzheimerpatienten. Daher werden wir
in ein paar Jahren alte Frauen mit großen Titten und alte Männer mit hartem
Penis haben, aber keiner von ihnen wird sich daran erinnern können, wozu das
gut ist.«
    Jetzt lachte sie schallend. So laut, dass sogar Pit, der im
Nebenraum sein Handy am Ohr hielt, um die Ecke schaute. So laut, dass Benno von
Saber aufhörte, ein weiteres der wehrlosen Bücher zu zerfetzen, und stattdessen
versuchte, am Telefon hochzuspringen.
    Erfreulicherweise ebbte das laute Gelächter langsam von allein ab.
    Â»So, und jetzt muss ich ganz eilig zum Übersee-Club am Neuen
Jungfernstieg. Sie wissen ja Bescheid, lieber Professor: nächsten Donnerstag.
Dem Koch vom Midsummer House habe ich Ihr Kommen bereits angekündigt. Er war … wenig
erfreut. Aber das schert uns nicht! Zeigen Sie den Engländern, wozu ein
hanseatischer Professor fähig ist. Und vergessen Sie beim nächsten Saunabesuch
nicht, Ihr Toupet zu suchen – muss ja niemand wissen, dass Sie gar keines
tragen! Adieu!«
    Dieses Rasseweib. So etwas wuchs nur an der rauen Nordseeküste!
    Versonnen blickte der Professor in die Ferne, bis Pit ihn ins
Wohnzimmer schob. Nun erst nahm er das Ausmaß der Verwüstung wahr. Nicht nur
die Bücher der Bibliothek lagen auf dem Boden verstreut, auch die Kartons mit
den Unterlagen seiner ermordeten Vorgänger waren durchwühlt worden. Kein Bild
mehr an der Wand, die Polstermöbel waren aufgeschlitzt.
    Â»In den anderen Räumen sieht es nicht besser aus«, informierte ihn
Pit. »Das ganze Haus ist auf den Kopf gestellt worden. In der Küche liegt das
Essen auf den Fliesen, eine Schande ist das! Gutes Fleisch einfach auf den
Boden zu werfen. Die müssen doch krank sein!« Als Pit ein herrliches Filet vom
Angusrind aufhob, bekam er feuchte Augen.
    Â»Was mag der Einbrecher gesucht haben?«, fragte Bietigheim, während
er Handfeger und Kehrschaufel aus dem Unterschrank der Spüle holte. »Geld und
Schmuck wird er nicht gefunden haben. Hier befinden sich nur geistig wertvolle
Dinge.«
    Â»Oh, ich kann Ihnen ganz genau sagen, was der Bursche oder die
Burschen wollten. Kommen Sie mit.«
    Pit ging zum Treppenhaus und zeigte auf die Wand. Auf die lindgrüne
Tapete hatte jemand mit einem Stück verkohltem Holz aus dem Kamin etwas
geschrieben.
    In riesigen Lettern.
    Fünf Worte.
    Â»Wo ist die sechste Schale?«
    Nachdem die Polizei alle Spuren gesichert hatte, räumten der
Professor und Pit den ganzen Abend und ein Gutteil der Nacht notdürftig auf.
Der Einbrecher konnte nicht viel Zeit im Haus verbracht haben, doch die hatte
er effektiv genutzt, um alles zu verwüsten. Und doch nichts zu finden.
    Natürlich gab es im Haus Teeschalen, doch die waren unnummeriert.
Keiner der Professoren hatte Eierschalen gesammelt, auch Muschelschalen konnten
enorm wertvoll sein, aber die konnten ebenfalls nicht gemeint sein, da war sich
der Professor sicher.
    Pit suchte alles nach einem Tresor ab. Er meinte, er sei gut darin.
Nachfragen zum Thema überging er einfach. Doch auch Pit wurde nicht fündig.
Keine sechste Schale, nirgendwo.
    Für den nächsten Morgen hatte Bietigheim Beatrice Pond in sein Haus
bestellt und sie vorgewarnt, dass sie diesmal besonders viel Zeit zum Aufräumen
und Putzen mitbringen müsse.
    Schon bevor sie eintraf, saß der Professor mit Pit in dessen Taxi
auf dem Weg in den Südwesten Londons. Die Mitglieder der Port Wine Society
hatte der Professor bereits am frühen Morgen abtelefoniert. Das Ergebnis ihrer
Nachforschungen: Michael Broadbent war weder bei seinen Eltern noch bei anderen
Verwandten oder Freunden. Die Hobbydetektive hatten mittlerweile auch die
Jugendherbergen der Umgebung und die nahen Campingplätze erfolglos durchkämmt.
Sie verstanden nicht, wieso Bietigheim mit dem Ergebnis hochzufrieden war.
    Sie wussten ja nicht, dass der Professor sich nun sicher war, wo er
Michael finden würde: zwischen Richmond upon Thames und Kew. In einem der
ältesten botanischen Gärten der Welt, einer unglaublich weitläufigen Parkanlage
mit Pflanzen, die es sonst nirgends auf der nördlichen

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