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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Variante fortan im
Hinterkopf!«
    Bietigheim hob die prachtvollste der Teekannen empor, um seine
folgenden Worte zu illustrieren. »Es gibt kein Getränk, das dermaßen viel
Feingefühl verlangt wie Tee. Das Wasser muss die richtige Qualität haben, nicht
zu hart und nicht zu weich, mit wenig Mineralien. Es muss die richtige
Temperatur aufweisen, kochend bei Schwarztee, niemals kochend bei grünem.
Teeblätter und Wasser müssen das perfekte Verhältnis eingehen, und genau die
richtige Zeit zusammen verbringen, bevor man sie wieder trennt. Es ist eine
Wissenschaft, die Feingefühl und Geduld erfordert. Wer sich so viel Mühe wie
unser erster Täter gibt, einen Tee aufzubrühen, den niemals jemand trinken
wird, dem ist entweder der Tee wichtig – oder der Tote. Dem zweiten Täter war
beides egal, oder er wusste es nicht besser. Es ging ihm nur um eines: seine
Spur zu verwischen.«
    Michael Broadbent erhob sich und klatschte. Die anderen Mitglieder
der Port Wine Society stimmten ein, und selbst auf Pits Gesicht erschien ein
stolzer Ausdruck. Dies war schließlich sein Professor. Benno konnte nicht
anders als bellen.
    Dann klingelte das Telefon. Wie ein Feldherr nach erfolgreicher
Schlacht marschierte Bietigheim hin und nahm den Hörer ab. »Professor Dr. Dr. Adalbert
Bietigheim am Apparat.«
    Â»Hallo, Professor, hier ist Colin von University Cycles. Es geht um
die Nightclimber. Meine Freunde von den Glöcknern haben mir nach langem Zureden
einen Kontakt gegeben. Mit dem habe ich schon gesprochen, und er ist bereit für
ein Gespräch mit Ihnen. Allerdings muss es jetzt sein. Also sofort.«
    Colin nannte ihm den Treffpunkt.
    Anschließend erklärte der Professor der Port Wine Society kurz und
prägnant, worum es ging, tätigte einen Anruf beim Pförtner von Great St Maryʼs,
ließ sich zur Kirche fahren und stieg dann mit einem vergnügten Benno von Saber
und einem genervten Pit Kossitzke die Stufen im Glockenturm hinauf – diesmal
bis ganz nach oben.
    Denn dort wartete der Nightclimber.
    Die Turmspitze umgab ein metallener Sicherheitszaun, der am oberen
Ende nach innen gebogen war, sodass es nahezu unmöglich schien, daran
hochzusteigen, um sich in den Tod zu stürzen.
    Wenn man dies vorhatte, gab es allerdings kaum einen Platz in
Cambridge mit schönerer Aussicht.
    Als sie ins Freie traten, begann es zu regnen. Der Regen fiel wie
ein ungestümer Liebhaber, der einem feuchte, warme Küsse auf die Haut drückte.
Es war noch Tag, weswegen sich der Nightclimber mit einem breiten Wollschal vor
dem Gesicht, einer Sonnenbrille und einer Baseball-Cap unkenntlich gemacht
hatte.
    Bietigheim ging strammen Schrittes auf den Vermummten zu und
streckte ihm die Hand hin. Der drehte sich weg – begann aber mit ihm zu
sprechen.
    Er hatte die Stimme einer jungen Frau.
    Â»Dass ich als Vorsitzende der Nightclimber mit Ihnen rede, ist ein
Gefallen an die Glöckner. Wir begleichen damit eine alte Schuld. Ich bin nur
hier, um Ihnen zu sagen, dass Sie Ihre Bemühungen einstellen können.«
    Bietigheim stellte sich genau vor sie. »Und dafür haben Sie extra
den weiten Weg gemacht?«
    Â»Sie lassen ja sonst nicht locker. Das hat sich schon
herumgesprochen. Sie verbeißen sich in diese Sache wie ein Terrier.«
    Â»Das hat in Deutschland Tradition. Im Fußball wie in der
Wissenschaft.« Der Professor trat noch näher. »Mein Leben steht auf dem Spiel.
Wenn Sie mich Ihr Blatt sehen lassen, habe ich vielleicht eine Chance. Ich
bitte Sie, helfen Sie mir.«
    Der weibliche Nightclimber brachte wieder etwas Abstand zwischen
sich und den Professor. »Ein großartiger Ausblick auf die Dächer der Stadt,
nicht wahr? So viele herrliche Strecken zum Klettern. Ist das ein Hobby, dem
Sie auch nachgehen?«
    Â»Wird das sinnloser Small Talk, oder wollen Sie auf etwas hinaus?
Sie haben etwas gesehen, oder?«
    Â»In der Nacht, als der Earl ermordet wurde, nahm einer von uns die
Südwestroute auf dieses Gebäude dort drüben. Es war drei Uhr früh, und die
Nacht war klar. Und ganz richtig, er hat etwas gesehen. Ihnen werde ich nur
mitteilen, dass wir nicht glauben, Sie seien in Gefahr. Es war unserer Meinung
nach eine Sache zwischen dem Täter und dem Professor. Und jetzt darf ich mich
verabschieden.«
    Bietigheim hob die Hand, und plötzlich stand Pit neben ihm. Der
bärtige Hüne legte seine Pranken auf

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