Der letzte Aufguss

hochwürgen konnte, schob Bietigheim in flottem Tempo sein Fahrrad.
Pit entkorkte im Laufen die erste Portflasche und ließ sich den Inhalt in den
Hals rinnen. »Ganz schön süßes Zeug, aber lecker.«
    Â»Kaugummi ist lecker oder von mir aus Pommes frites, aber kein Wein.
Oder würden Sie unglaubliche Summen für etwas bezahlen, das einfach nur lecker
ist?«
    Â»Wenn es unglaublich lecker ist, dann
schon.« Pit klemmte sich die Flasche mit der Aufschrift »Niepoort Vintage Port«
unter den Arm und öffnete eine, auf der »Taylorʼs« stand.
    Â»So geht es nicht weiter«, sagte der Professor schnaufend.
    Â»Doch, Flasche für Flasche. Ich versetze mich in unseren Täter
hinein. Oder besser: Ich versetze das Lieblingsgetränk unseres Täters in mich
hinein.«
    Â»Ich meine den Fall. Da geht es nicht weiter.«
    Â»Muss es doch auch gar nicht. Wir haben den Täter. Jetzt müssen wir
ihn nur noch finden. Und fassen«, sagte Pit – während Benno sich parallel auf
perfekten englischen Rasen übergab, der danach nicht mehr aussah wie mit Schere
und Kamm in Form gebracht.
    Â»Es steckt mehr dahinter«, meinte der Professor, während er um die
Ecke bog. »Viel mehr, das spüre ich, so wie ich nur einen Tropfen auf meiner
Zunge brauche, um zu sagen, dass zu viel Salz in einer Suppe ist. Und wir sind
trotz der Port Wine Society zu wenige, um alles herauszufinden. Kontaktieren
Sie bitte meine wissenschaftliche Hilfskraft in Hamburg, sie soll sofort
herkommen. Sie kann hervorragend organisieren sowie mit Computern umgehen.
Zusätzlich benötige ich mehr Zeit, um nachzudenken und alles zu ordnen, was
diese Morde betrifft. Zu vieles passt nicht ineinander. Es kommt mir vor, als
würde man versuchen, aus zwei Regalen unterschiedlicher Hersteller eine
Schrankwand zu errichten. Also, Benno, wirklich! Wie viel Käse kann ein
einzelner Hund denn erbrechen? Dein Magen muss doch langsam mal leer sein!«
    Aber Bennos Magen hatte immer noch was auf Lager.
    Â»Wohin rennen wir eigentlich?«, fragte Pit, als sie einen roten,
gusseisernen Briefkasten passierten. »Das ist doch nicht der Weg zu unserem
Haus?«
    Â»Zu meinem Haus«, antwortete Bietigheim
spitz. »Und nein, das ist er nicht. Wir sind auf dem Weg zu einer massiven
Zeitersparnis.«
    Zu Pits Erstaunen, war des Professors Ziel das Fahrradgeschäft
namens ›University Cycles‹.
    Kurz nachdem sie den Laden betreten und das Glöckchen über der
Eingangstür zum Läuten gebracht hatten, stand schon der Besitzer hinter der
Theke.
    Â»Professor Bietigheim! Ist mit Ihrem Rad etwas nicht in Ordnung?«
    Der Professor räusperte sich. »Ich will direkt zur Sache kommen,
denn ich habe keine Zeit zu verschenken. Dieses unzureichende Maß an Zeit ist
es auch, das mich nun zu Ihnen geführt hat. Als ich das erste Mal in Ihrem
Laden war, servierten Sie mir einen Darjeeling Flugtee Gielle FTGPOP. Er war
perfekt gebrüht, und wenn ich perfekt sage, meine ich perfekt. So etwas
schaffen selbst ambitionierte Amateure nur selten. Zudem wussten Sie, dass der
bei Ihnen von der Port Wine Society hinterlegte Umschlag nach Stinking Bishop
roch – und sogar, dass ich eine Arbeit darüber verfasst habe. Zwar weiß ich,
dass diese stilistisch wie inhaltlich großartig geraten ist, doch bin ich mir
durchaus bewusst, dass nur ein kleiner erlauchter Kreis sie wahrnimmt, nämlich
fast ausschließlich Wissenschaftler meiner Disziplin. Ich habe deshalb ein
wenig recherchiert. Sie sind Colin Inniskeen, Dr. Colin Inniskeen, und Sie
haben einst am Institut für Kulinaristik als wissenschaftliche Hilfskraft
gearbeitet.«
    Colin hob die Augenbrauen und lächelte anerkennend. »Es stimmt also,
was die Leute sagen: Ihr Verstand ist tatsächlich so scharf wie
Damaszenerstahl.«
    Â»Ist Inniskeen nicht ein irischer Name? Warum sprechen Sie dann mit
keinerlei Akzent?«
    Â»Ach, das ist schon Generationen her, die Familie ist vor Ewigkeiten
nach Südengland übergesiedelt und wir haben keinen Kontakt mehr zur alten
Heimat. Möchten Sie auch diesmal einen Tee?«
    Â»Ich möchte Ihnen einen Job anbieten. Als meine Vertretung am
Institut. In der nächsten Zeit werde ich mich noch intensiver um die Mordfälle
kümmern müssen.«
    Colin öffnete den hinter sich stehenden Kühlschrank und reichte Pit
eine Dose Real Ale. »Ich bin jetzt