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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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normalem Tee hat Pu-Erh eine
rötliche Farbe und einen erdigen Geschmack – beides aufgrund seiner besonderen
Reifung. Eigentlich ist Pu-Erh ein grüner Tee, der jedoch gedämpft und in
Formen gepresst wird, häufig in Fladen, aber auch in Kugeln oder Ziegeln.
Darauf folgt die Trocknung, die früher mindestens fünf Jahre dauerte – bis in
den Siebzigern ein Verfahren entwickelt wurde, das diesen Prozess auf wenige
Monate abkürzte. Viele Pilze und Bakterien sind an dem Reifungsprozess eines
traditionellen Pu-Erhs beteiligt, unter anderem Penicillium chrysogenum. Es ist
der einzige Tee, der erst nach seinem offiziellen Haltbarkeitsdatum richtig
gesund wird. Pu-Erh kann Jahrzehnte heranreifen und gewinnt währenddessen an
Wert. Er ist eine echte Geldanlage!«
    Â»Das ist ja«, Bietigheim geriet ins Stottern, »das ist ja fast
wortwörtlich, also, das …«
    Â»â€¦Â ist Ihr Vortrag vom 15. Februar letzten Jahres. Den ich abtippen
musste. Ich habe ein fotografisches Gedächtnis, leider nur manchmal, vor allem
bei unwichtigen Sachen.« Sie strahlte. »Es ist so schön, Sie mal verdutzt zu
sehen, Professor.«
    Â»Was meinen Sie, Kokushi? Ist dem noch etwas hinzuzufügen?«
Bietigheim blickte zu dem kargen Holzschemel, den der Teemeister als Sitzplatz
bevorzugte. Doch jetzt saß Benno von Saber darauf und bellte zustimmend.
    Â»Keine Ahnung, wo unser Untermieter steckt«, sagte Pit und überging
geflissentlich, dass er selbst auch nur Untermieter war. »Seit dem Frühstück,
bei dem er schwer zugeschlagen hat, hab ich ihn nicht mehr gesehen. Hat auch
nicht gesagt, wo er hinwollte.«
    Â»Sind seine Sachen noch da?« Bietigheim blickte sich um. »Na,
schauen Sie schon in seinem Zimmer nach! Sie beide! Und du auch, Benno!«
    Der Terrier begann sich ausgiebig die Pfoten zu lecken, während Rena
und Pit die Treppe nach oben stürmten. Bietigheim befragte schnell die in der
Küche staubwischende Beatrice Pond, welche jedoch nichts über Kokushis Verbleib
wusste, bevor er die Stapel mit den Unterlagen seiner toten Vorgänger genau
musterte. Waren sie weniger hoch als noch am Vortag? Hatte Kokushi etwas
mitgehen lassen?
    Â»Alles weg!«, brüllte Pit von oben. »Das wird langsam zu einer
Tradition, dass die Bewohner des Hauses spurlos verschwinden.«
    Dann erschien Rena am Ende der Treppe. »Aber es gibt auch eine gute
Nachricht: Er hat sein Bett superordentlich gemacht!«
    Pit und Rena kontaktierten in Bietigheims Auftrag die Port Wine
Society, die sich in einem erbärmlichen Zustand befand. Eigentlich existierte
sie nicht mehr, in der Universität wurden die Mitglieder wie Aussätzige
behandelt und von den Medien belagert, Details ihrer Verbindung wurden ans
Licht gezerrt und lächerlich gemacht. In der Öffentlichkeit entstand sogar der
Eindruck, dass die Port Wine Society mit ihrem makabren Interesse an Mordfällen
einen gewissen Anteil an Michaels Freitod hatte. Die den Mitgliedern von Bietigheim
übertragene Aufgabe, die Verdächtigen zu durchleuchten, hatten sie nicht einmal
ansatzweise durchführen können.
    Bietigheim beschloss, sich mit den Mitgliedern der Port Wine Society
zu unterhalten, und legte als Treffpunkt den Jesus Green Swimming Pool fest –
wobei jeder darauf achten sollte, mögliche Verfolger abzuschütteln. Bis zur
vereinbarten Uhrzeit wollte der Professor sich noch einmal alles in Ruhe durch
den Kopf gehen lassen.
    Dabei störten ihn nur die ständigen Anrufe, die Pit und Rena
abwechselnd entgegennahmen. Sie stammten aus dem Büro von W. W. Stuart sowie
von hochrangigen Mitgliedern des Colleges oder der Universität. Es braute sich
ganz offenbar etwas zusammen, doch Bietigheim hatte kein Interesse daran, sich
darum zu kümmern.
    Stattdessen legte er irgendwann den Hörer neben das Telefon,
krempelte die Ärmel hoch und betrat die Küche. Er würde jetzt kochen! Von einem
guten Freund aus dem Ahrtal hatte er gelernt, dass dies einen schlagartig auf
andere Gedanken brachte – selbst wenn man von Mord und Totschlag umgeben war.
Rena sollte derweil weiter das Passwort knacken, und Pit in der Stadt nach
Kokushi suchen. Damit der Professor in Ruhe kochen konnte, sollte Benno ihn auf
der Suche begleiten.
    Pit war froh, das Haus verlassen zu können. Seit dem Einbruch fühlte
er sich nicht mehr sicher. Im Schlaf erstochen zu werden, war eine

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