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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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brummelte in seinen Bart. »Professor Hrmmgb.«
    Â»Wer? Bietigheim?«
    Â»Nein, nicht Bietigheim! Und jetzt muss ich ganz schnell weg. Der
Dampf greift meine Bronchien an, womöglich kollabiere ich gleich, und das wäre
sehr unschön. Ich darf mich entschuldigen.«
    Wo war die Tür? Eben war sie doch noch da gewesen! Da war der Ofen,
da die heißen Kohlen. Und endlich, ja, da war die Tür und dahinter Frischluft.
    Im Hinausgehen warf er noch einen Blick auf den Grünteeaufguss. Das
Etikett verriet seine Herkunft aus Kevin Shieldsʼ Tea Shop.
    Bietigheim konnte nicht anders, als daran zu riechen. Muffig. Hier
wurde er also seine verdorbene Ware los. Ein feiner Geschäftsmann!
    Â»Sind Sie immer noch nicht draußen?«, tönte es hinter ihm. Es war
die lustige Witwe. »Oder muss ich Ihnen erst einen Tritt in den Hintern geben?«
    Der Professor verzog sich.
    Er hatte genug gehört.
    Und Tölers Ruf ausreichend geschadet.
    Adalbert Bietigheim hielt sich auf der Flucht nicht mit
Kleinigkeiten wie Ankleiden auf – das war schließlich auch im Aufzug möglich.
Allerdings nicht auf elegante Art und Weise, sondern nur voller panischer
Angst, die Türen könnten sich öffnen und seinen nackten Professorenkörper
unvorbereiteten Frauenaugen präsentieren. Es hätte für manche Damen zu viel
sein können. Und weitere Schlagzeilen wollte Bietigheim sich ersparen. Als
Exhibitionistenprofessor in die Geschichte Cambridges einzugehen musste
wirklich nicht sein.
    Zu seinem Glück blieb der Aufzug stecken, sodass er genug Zeit zum
Umziehen hatte. Und dann noch rund zwei Stunden, um sich über den
feststeckenden Aufzug zu ärgern.
    Als er endlich zu Hause eintraf, erwartete ihn eine Überraschung.
Eine putzende Überraschung.
    Â»Mrs Pond, was machen Sie da? Waren Sie nicht erst vor zwei Tagen
hier? Sie werden doch nur für einmal pro Woche bezahlt.«
    Â»Ja, aber zurzeit ist so viel Schmutz in der Luft, da reicht das
einfach nicht. Und Sie haben ja auch einen Hund, der trägt schließlich Dreck
hinein.«
    Â»Benno von Saber ist ein sehr reinlicher Terrier! Er beherrscht es
sogar, sich die Pfoten am Fußabtreter zu säubern.«
    Zumindest theoretisch. Benno besaß alle dafür nötigen Muskeln – wäre
jedoch niemals auf die Idee gekommen, sie dafür zu nutzen. Aber diese
Information behielt der Professor lieber für sich.
    Â»Sauber ist sauber! Oben bin ich schon durch.« Sie putzte weiter.
    Der Professor ließ sie gewähren.
    Und wurde gleich mit der nächsten Überraschung konfrontiert.
    Â»Da ist ja der schnuckeligste Professor der ganzen Alster!«
    Rena, seine wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Hamburg
und eine Frau mit unerschütterlich guter Laune, fiel ihm um den Hals.
    Â»Also, bitte! Können Sie mich nicht auch mal normal begrüßen?«
    Sie machte einen Knicks. »Ich bin hocherfreut, wieder für Sie, Herr
Professor Dr. Dr. Bietigheim, schuften zu dürfen, ohne jemals ein Wort des
Dankes dafür zu erhalten.«
    Â»Na also. Geht doch!« Er schaffte es, nicht dabei zu grinsen. »Sie
wissen, warum Sie hier sind?«
    Â»Weil Sie mich so doll vermisst haben? Weil ohne mich alles
zusammenbricht? Weil Ihnen mein fröhliches Wesen fehlt?«
    Â»Nein, nein und nein. Sondern deswegen.« Er ging zum Regal, zog das
Buch des chinesischen Dichters Lu Tʼung hervor, in dem der USB-Stick versteckt
war, und reichte ihn ihr.
    Â»Weiß ich doch«, sagte Rena. »Ich wollte Ihnen nur die Chance geben,
mir ein Kompliment zu machen. Oder drei.«
    Â»Nicht jede Chance muss genutzt werden. Der weise Mann beweist sich
gerade im klugen Auslassen von Chancen. Machen Sie sich bitte direkt ans Werk.«
    Rena zog ein Netbook aus ihrem Rucksack und schob nach einigen
Vorbereitungen den USB-Stick ein. Dann flogen ihre Fingerspitzen über die
Tastatur, ihre Pupillen zitterten vor Aufregung, und sie schien die
Informationen aus allen Ecken des Bildschirms aufzusaugen. Schließlich kehrte
Ruhe in Rena ein, und sie blickte auf.
    Â»Der Stick ist passwortgeschützt, und zwar nicht auf die popelige
Windows-Weise mit einem 112- oder 128-Bit-Schlüssel. Nein, hier wollte jemand
wirklich auf Nummer sicher gehen. Wir können es mit der Brute-Force-Methode
versuchen, aber die dauert halt sehr, sehr lange. Bei einem zehnstelligen Code
gute zwei Tage.« Sie zog die

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