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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Augenbrauen empor. »Deshalb lasse ich jetzt erst
mal einen Wörterbuchangriff laufen. Ich sehe die Fragezeichen in Ihren Augen,
Professor. Bei dieser Methode geht man davon aus, dass das gesuchte Passwort
aus einer sinnvollen Zeichenkombination besteht – und lässt alle denkbaren
durchlaufen. Ich kann noch nicht mal sagen, wie viele Zeichen es sind. Könnten
zwanzig oder mehr sein. Vielleicht hat er es auch mit Diceware probiert.«
    Â»Ja«, sagte Bietigheim, »das hatte ich auch schon vermutet.«
    Â»Na, dann mache ich mir mal eine schöne heiße Milch mit Honig und
lege los. Wenn mir jemand die Schultern massiert, gehtʼs schneller …«
    Der Professor blickte sich hektisch um. »Wo ist denn jetzt … also wo
steckt denn Benno schon wieder? Ich suche ihn am besten mal, es ist höchste
Zeit fürs Gassigehen.«
    Â»Er liegt auf den Einkäufen in der Küche – seit ich, wie von Ihnen
befohlen, um zwei mit ihm spazieren gegangen bin«, sagte Pit, der sich die
ganze Zeit unbemerkt im Sessel herumgelümmelt hatte. Jetzt machte er sich auf
den Weg, um Rena zu massieren. »Und das wissen Sie auch genau. Aber ich versteh
schon, Sie wollen Ihre Pianistenfinger schonen, soll der Bursche mit den groben
Pranken doch die Studentin durchwalken.«
    Â»Nur die Schultern«, sagte Rena. »Der Rest bedarf keiner Walkung.
Das Wort klingt auch komisch, als wäre ich ein Brotteig.«
    Â»Wenn ich mit dir fertig bin, fühlst du dich auch so.«
    Rena zog die Schultern hoch und verkrampfte noch mehr, doch als Pit
nach einigen Minuten seine Hände wieder von ihr nahm, waren ihre Gesichtszüge
völlig entspannt. »Jetzt fehlt nur noch die heiße Milch mit Honig, dann geht es
dem Passwort an den Kragen! Wahlweise darf es auch ein Schwarztee mit viel
Milch sein sowie ein paar Krümelchen braunem Zucker.«
    Â»Krümelchen? Ach, Mist.« Pit tastete hektisch seine Hosentaschen ab
und zog dann ein Tütchen hervor. »Total vergessen! Das sind die Krümel, die vor
dem aufgebrochenen Tresor im Tea Shop gefunden wurden. Sie wissen schon: der
Besitzer ist ohne Nachricht verschwunden und bis jetzt nicht wieder
aufgetaucht.« Er reichte sie Bietigheim.
    Â»Und die übergeben Sie mir erst jetzt? Manchmal frage ich mich, was
in Ihrem Kopf vorgeht oder ob er nur als Speicher für Fleischstücke aller Art
dient.«
    Â»Wäre eigentlich gut, wenn ich einen weiteren Lagerraum hätte.« Pit
klopfte an seine Rübe. »Zu welchem Labor sollen wir die Probe schicken? Ich
kümmere mich dann gleich darum.«
    Der Professor öffnete das Beutelchen, befeuchtete einen Finger,
steckte ihn hinein, und beförderte einige Krümel in den Mund. Dann schmatzte
er.
    Pit und Rena beobachteten ihn fassungslos.
    Â»Ein heller Pu-Erh-Tee, bei dem Teeblätter aus der chinesischen
Region Menghai verwendet wurden. Vermutlich hergestellt von der weltberühmten
Menghai Tea Factory Anfang der Achtzigerjahre. In diesem Fall wäre der Fladen
nicht unter siebenhundertfünfzig Euro zu bekommen.« Bietigheim blickte so
nonchalant, als wäre diese Leistung nicht im Mindesten bemerkenswert – und als
würde er trotzdem rauschenden Applaus erwarten.
    Doch das Publikum versagte.
    Â»Mein lieber Pit, Sie fragen sich sicher, was Pu-Erh-Tee ist – weil
Sie ihre Lektionen längst wieder vergessen haben.«
    Â»Nee, eigentlich frage ich mich, wieviel Pu-Erh-Tee Sie gekaut haben
müssen, um das so schnell herauszubekommen. Moment, Pu-Erh? Doch, da klingelt
was.« Pit tätschelte seinen strammen Bauch. »Ist das nicht der
Schlankmachertee?«
    Â»Das ist unbewiesener Blödsinn!«, rief Bietigheim empört aus. »Töler
hat diese Theorie in die Welt gesetzt. Das sagt ja wohl alles! Beim Pu-Erh-Tee
handelt es sich um … nein, lassen Sie uns sehen, ob Rena sich noch an meine
entsprechende Vorlesung erinnert.«
    Rena blickte Bietigheim mit emporgezogener Augenbraue an, stand auf –
und nahm eine professorale Haltung ein, ja, sie stand mit einem Mal so
hüftsteif und über allem schwebend da, wie eigentlich nur Bietigheim selbst es
vermochte.
    Dann mopste sie ihm seine Lesebrille und schob sie sich auf die
Nasenspitze. »Der Pu-Erh stammt von einer Unterart des Teestrauchs, die den
Namen Qingmao trägt. Der Name leitet sich vom Herkunftsort dieser Pflanzen ab,
der chinesischen Stadt Puʼer. Im Gegensatz zu

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