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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Aufgüsse bieten Sie heute an?«
    Der Saunawärter antwortete mit einer weichen, warmen Stimme. »Auf
besonderen Wunsch der Collegeleitung gibt es in allen unseren Saunen nur noch
Aufgüsse mit grünem Tee. Der wichtigste Inhaltsstoff ist das anregende Koffein.
Weiterer Bestandteil der Teeblätter ist Catechin, dem die meisten
gesundheitsfördernden Wirkungen zugeschrieben werden. Der Duft wirkt
stabilisierend sowie entspannend und riecht angenehm mild duftend. Im Sommer
reichen wir erfrischenden kühlen Grüntee dazu.«
    Â»Haben Sie mich jetzt genug belehrt?«
    Â»Selbstverständlich wissen Sie als Professor für Kulinaristik und ausgewiesener
Teeexperte dies alles. Aber ich bin froh um jede Gelegenheit, es erklären zu
dürfen. Ansonsten besteht meine Hauptaufgabe darin, die Saunen sauber zu halten
und Bademäntel über den Tresen zu reichen. Das füllt einen Menschen nicht aus.«
    Â»Dafür sieht Ihre Haut aber sehr gut aus.«
    Â»Danke, wie freundlich, dass Sie das sagen. Darf ich Ihnen unsere
Lichtsauna empfehlen? Dort wären Sie nicht allein.«
    Â»Und wenn ich allein sein will?«
    Â»Ich glaube nicht, dass Sie das vorziehen würden. Vertrauen Sie mir.«
Er zwinkerte.
    Was war das hier? Ein College-Erotik-Club? Bietigheim wollte schon
gehen, als der Saunawärter sich nochmals an ihn wandte. »Nirgendwo lässt sich
besser reden als in der Sauna. Und wie man hört, haben Sie Nachholbedarf, was
Master Stuart angeht …«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Folgen Sie mir einfach zur Umkleide und danach in unsere
Lichtsauna.«
    Ob Hildegard zu Trömmsen auch bei der Auswahl der ominösen
Lichtsauna ihre Finger im Spiel hatte? Dieses Weib zog so viele Strippen, so
gekonnt und kräftig, dass sie den Kanal mühelos überwinden konnte.
    Nachdem Bietigheim sich der Kleidung entledigt, sie ordentlich
zusammengelegt und fachgerecht verstaut hatte, streifte er den Bademantel über
und folgte dem porentief reinen Wärter, der die Lichtsauna als Erster betrat und
für neue Feuchtigkeit im Raum sorgte. Bietigheim holte noch einmal tief Luft,
dann hörte er von innen eine Stimme. Sie gehörte W. W. Stuart.
    Â»Das ist doch jetzt schon der sechste Aufguss! Ich hoffe, es ist der
letzte. Wie soll man sich denn da entspannen?«
    Â»Ich genieße es immer, wenn es einen neuen Aufguss gibt.«
    Die zweite Stimme kannte er auch. Sie gehörte einer Frau. Feinstes
Oxford-Englisch mit einer ordentlichen Portion Arroganz. Landadel. Uralter. Nur
Jahrhunderte der Inzucht konnten solch eine Stimme hervorbringen. Es war die
Countess von Shropsborough.
    Jetzt wurde es wirklich interessant.
    Bietigheim betrat die Kabine, mit dem Hinterteil voran. Das Handtuch
war sicher nicht dazu da, es sich vor Mund und Nase zu halten, doch er
zweckentfremdete es einfach, dabei war das Atmen auch ohne Stoff vor dem
Gesicht schon schwer genug. Er wollte inkognito saunen, nur ein stilles
Mäuschen in der Ecke – das seine Ohren aufsperrte.
    Â»Lass uns die Sache ein andermal weiter besprechen, wir sind nicht
allein …« Stuart hatte die Stimme gesenkt.
    Auch die Countess sprach nun leiser. »Du weißt, dass da mehr
dahintersteckt und es sicher um viel Geld geht.«
    Â»Ich bin kein dummer Junge.«
    Â»Dann benimm dich auch nicht wie einer! Glaubst du ernsthaft,
Kokushi würde sonst derart drängen? Ich fasse es nicht!«
    Bietigheim hatte nicht gemerkt, wie er näher gerückt war. Die
Countess schon.
    Â»Geht Sie das irgendetwas an?«, fragte sie entrüstet.
    Â»Nein.« Bietigheim ließ seine Stimme erkältet klingen, damit er
nicht erkannt wurde. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Es interessiert mich
auch nicht. Bin nur hier zum Saunen. Höre auch sehr schlecht.« Die ersten
Schweißtropfen rannen ihm über die Stirn, umschifften seine Brauen und liefen
in die Augen, wo sie brannten. Wirklich erholsam …
    W. W. Stuart stand auf. »Wer sind Sie überhaupt? Diese Sauna ist nur
für Mitglieder des St Johnʼs College. Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.
Nehmen Sie doch mal das Handtuch vom Gesicht!«
    Ihm musste schnell eine Idee kommen – und er musste schnell die
Sauna verlassen. »Ich binʼs, Professor Töler vom Trinity. Unsere Sauna ist
zurzeit defekt, und ein Kollege meinte, ich dürfte gerne auch hier …«
    Â»Welcher Kollege?«
    Bietigheim

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