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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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noch Jancis Robinson anschaute, fühlte diese sich bemüßigt
zu antworten.
    Â»Ein Schlüssel allein reicht nicht aus. Man braucht einen zum Haupt-
oder Nebenportal, dann einen, um die Tür zum Glockenturm aufzuschließen. Es
gibt eine Alarmanlage, die jedoch am Nebeneingang ausgeschaltet werden kann. Es
ist ein sehr, sehr altes Modell. Man hat wohl auch nie den Code geändert,
zumindest hört man das aus Polizeikreisen. Demnächst soll was Hochmodernes
installiert werden und dazu noch Überwachungskameras.«
    Â»Für Michael Broadbent kommt das leider zu spät. Warum ändert sich
immer erst etwas, wenn das Kind bereits ins Wasser …« Bietigheim begriff gerade
noch rechtzeitig, dass dieser Vergleich extrem unpassend gewesen wäre. »Ich
komme zum Grund unseres Treffens. Ich brauche weiterhin Ihre Hilfe – und Sie
meine. Denn die einzige Möglichkeit, den Ruf Ihrer Society reinzuwaschen, ist,
den wahren Täter zu finden und zu beweisen, dass Michael keinen Selbstmord
begangen hat, sondern umgebracht wurde. Sind wir uns da einig? Ja, das sind
wir. Ich werde Ihnen nun mehrere Aufgaben zuteilen. Zum einen müssen wir
Meister Kokushi finden.«
    Robert Parker konnte nicht anders als grinsen. »Schon wieder?«
    Â»Er ist verschwunden.«
    Â»Vielleicht trifft er sich mit Diana, der Tochter von Kevin Shields ,
dem verstorbenen Teehändler.«
    Â»Warum sollte er?« Im Rückenkraul schwamm Bietigheim zu Parker
hinüber. Man musste der Jugend demonstrieren, dass es mehr als simples
Brustschwimmen gab.
    Â»Im Radio haben sie gesagt, dass Diana alles erbt, anscheinend ein
ziemliches Vermögen.«
    Â»Und was hat das mit Kokushi zu tun?«
    Â»Diana hat auch am Institut für Kulinaristik studiert. Sie war
wissenschaftliche Hilfskraft, bevor Michael diese Stelle bekam, und sie
arbeitete sehr eng mit beiden Professoren zusammen. Ihr stand eine echte
Universitätskarriere bevor, doch dann übernahm sie den Tea Shop. Das hat damals
keiner verstanden, vor allem, da sie mit ihrem Vater nicht so dicke war. Wenn
der Teemeister einen Ansprechpartner zum Thema Grüntee oder Matcha-Tee sucht,
ist Diana nach Ihnen die beste Wahl. Auch was mögliche Geschäfte angeht,
schließlich hat Kevin auch Tees geführt, die von Kokushi stammen. Nur für
besondere Kunden, versteht sich. Michael war einer davon, er hat immer stolz
von seinen Neuerwerbungen geschwärmt.«
    Â»Warum erzählt mir so etwas denn niemand? Was meinen Sie, wofür Sie
diese schwabbelige Masse in Ihrem Schädel haben? Also, beschatten Sie diese
Diana!«
    Und dann gab er ihnen weitere Aufgaben, zum Beispiel herauszufinden,
wo der Pu-Erh-Tee aus dem Tresor abgeblieben war.
    Und wie das Kokain in den grünen Tee gekommen war.
    Frisch geduscht radelte Bietigheim zurück nach Hause. Dort griff er
sich Benno von Saber und setzte ihn ins Fahrradkörbchen am Lenker, um sofort
wieder loszubrausen. Colin hatte zum Tee eingeladen, um über die gemeinsame
Zeit mit dem Earl zu sprechen. Eigentlich gab es jetzt Wichtigeres zu tun,
nämlich all die Spuren und Indizien, die sich in seinem Kopf wie Essenszutaten
angesammelt hatten, in korrekten Mengen zusammenzufügen, um den Kuchen der
Erkenntnis daraus zu backen. Oder die Suppe der Weisheit zu kochen. Oder den
Auflauf der Wahrheit zuzubereiten.
    Colins Wohnung lag direkt über dem Fahrradladen. Der Professor kam
sich darin vor wie in einem Antiquitätengeschäft, wo seit Jahrzehnten niemand
etwas gekauft hat. Überall stand etwas herum, häufig von einer dicken
Staubschicht bedeckt. Zum Beispiel die vier alten Wählscheibentelefone auf der
Anrichte, die acht in der Diele nebeneinander aufgehängten Kuckucksuhren oder
die unzähligen Werbeschilder aus Blech. Unter der Dielendecke war eine Leine
gespannt, auf der an Kleiderhaken Kostüme hingen. Nichts sah aus, als gehörte
es Colin.
    Benno verschwand und wurde nicht mehr gesehen. Einst waren
Foxterrier für die Fuchsjagd gezüchtet worden – um die Beute bis in ihren Bau
zu verfolgen. Dieses Erbe steckte tief in Benno, der es liebte, unter Sofas zu
verschwinden, hinter Schränke zu kriechen oder es sich in Kartons bequem zu
machen. Colins Wohnung kam ihm da sehr entgegen. Außer einem Fuchsbau gab es
nichts Besseres. Ab und zu erklang glückliches Bellen – aus immer wieder neuen
Ecken.
    In einem Zimmer stand ein altes Bett, das mit

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