Der letzte Aufguss
bedeuten würde, dass die Morde
mit dem Kokain in Verbindung standen und Kevin damit gehandelt hat. Und Sie
recht haben und es tatsächlich nicht Michael Broadbent war â trotz seines
Abschiedsbriefs.«
»Welchen Grund sollte Michael für die Morde gehabt haben? Keinen.«
»Keinen, von dem Sie wissen.«
»Nein, Michael war es nicht. Aber zurück zu Kevin: Warum sollte er
sich gerade jetzt schuldig fühlen?«
»Vielleicht hat er die Berichterstattung über Michael Broadbents Tod
verfolgt? Diesmal war es anders, diesmal hat er einen jungen Menschen aus dem
Leben gerissen. Dann die trauernden Eltern zu sehen, die Kommilitonen und die
fassungslosen Nachbarn. Das hat Kevin vielleicht mehr getroffen, als er
erwartet hatte.«
»War er dafür der Typ?«
Colin zog eine Pfeife aus der Hosentasche und zündete sie kunstvoll
an. Sie stand ihm gut zu Gesicht, und der Rauch lieà den Raum weniger chaotisch
als vielmehr exzentrisch wirken. »Nein, war er nicht. Vielleicht wusste er,
dass man ihm auf die Spur gekommen war.«
»Wer? Die Polizei? Für die ist der Fall seit Michaels angeblichem
Selbstmord abgeschlossen. Und ich bin ihm sicher nicht auf die Spur gekommen.«
»Vielleicht hat sein Tod auch nichts mit den anderen Fällen zu tun.
Und er hat sich das Leben genommen, weil seine ⦠Geschäftspartner in Sachen
Kokain mit ihm unzufrieden waren und ihn deshalb umbringen wollten. Dann wäre
er ihnen einfach zuvorgekommen. Die Polizei wird diese Spur verfolgen ⦠nein,
wird sie nicht, denn Ihr Kompagnon hat den Sack ja entsorgt. Vielleicht wäre es
klüger gewesen, ihn dort zu lassen.«
»Natürlich wäre es das. Aber Pit hat seinen Kopf nur, damit es ihm
nicht in den Hals regnet.«
»Sie sind zu hart mit ihm. Er ist ein guter Kerl.« Der Tee war
fertig gezogen. Colin schenkte ein. Der Tee war perfekt, doch Bietigheim fand
es unnötig, das zu erwähnen. Das wusste Colin selbst.
»Eine andere Frage, die mich nicht loslässt, ist die, in welcher
Beziehung die Witwe des Earls, die Countess von Shropsborough, zu den Morden
steht. Was könnte das Gespräch mit Stuart in der Sauna bedeuten? Wissen Sie
vielleicht etwas über die Countess, aus Ihrer gemeinsamen Zeit mit ihrem Mann?«
So lange wie jetzt hatte Colin noch nie an seiner Pfeife gezogen. Er
antwortete mit einem kaum sichtbaren Nicken.
Bietigheim rutschte auf die Sofakante vor. »Sie wissen nicht nur etwas über sie, sondern viel, oder? Meine Frage hat Ihre
Halsschlagader zum Pulsieren gebracht. Wenn Sie mit Ihnen verwandt wäre, hätte
ich davon Kenntnis. Sie standen sich also auf andere Weise nahe. Eine
Freundschaft würde Ihr Herz nicht dermaÃen pumpen lassen, Sie hatten also eine
Liebesbeziehung. So ist es doch, nicht wahr?«
Colin nickte wieder unmerklich. Und schwieg weiterhin.
»Da Sie erst seit Kurzem wieder in Cambridge sind, muss die
Liebesziehung in der Zeit davor liegen«, fuhr Bietigheim fort. »Der Earl lebte
mit seiner Frau bereits seit über sechs Jahren in Newcastle â Sie jedoch nicht
einmal in der Nähe. Also muss es vor dieser Zeit gewesen sein, vielleicht, nein
wahrscheinlich sogar, bevor sie den Earl traf. Ich höre keine Widerworte?«
»Nein«, sagte Colin. »Sie war meine Frau. Nicht vor dem Gesetz und
auch nicht vor Gott. Aber sie war meine Frau.«
»Der Earl spannte sie Ihnen aus?«
»Es gehören immer zwei dazu, ich mache Tim keinen Vorwurf. Ich habe
die Liebe für gegeben hingenommen, doch bei einer Frau wie Elisabeth sollte man
das nie. Tim passte viel besser zu ihr. Am Anfang habe ich das natürlich nicht
gesehen, nicht sehen wollen, aber mit etwas Abstand ⦠Sie kennen oder besser
gesagt: kannten beide â sicherlich geben Sie mir recht.«
Bietigheim musste keine Sekunde nachdenken. »Zweifellos.«
»Es war kurz nachdem wir von unserer gemeinsamen Forschungsreise
nach Wuyishan zurückgekehrt waren. Natürlich waren wir wegen der Steintees
hingefahren. Die Gegend ist wirklich groÃartig, waren Sie schon einmal da?«
Bietigheim schüttelte unangenehm berührt den Kopf. »Sie sollten es nachholen.
Es ist erhebend. SechsunddreiÃig Hauptgipfel und neunundneunzig Felsklippen
bilden die Landschaft, das weià ich noch genau. Einige sehen aus wie
Skulpturen, es gibt zum Beispiel einen âºSitzenden Adlerâ¹, eine
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