Der letzte Aufstand
dreimal, wobei seine Stimme alles andere als stark tönte.
Wann würde der Mann zustechen? Kahil spürte, wie die Tränen auf seinen Wangen zu trocknen begannen. Eine Ewigkeit schien an ihm vorbei zu ziehen. Wann würde der Mann das Messer ansetzen? Kahil öffnete die Augen wieder, als nichts dergleichen geschah. Henk stand immer noch vor ihm. Das Messer immer noch auf Kahils Gesichtshöhe.
„Keine Gewalt!“, sagte Henk plötzlich wie aus heiterem Himmel. Er packte Kahil an den Schultern und drehte ihn um. Dann spürte Kahil wie Henk ihm die Handschellen aufschloss.
„Wir haben deiner Freundin nichts getan. Sie ist wohlauf. Keine Gewalt!“
Kahil drehte sich um. Was sollte das?
Henk hob seinen rechten Arm. Er drückte einen kleinen Knopf auf der Armbanduhr und sagte: „Rückzug, Rückzug, Rückzug!“
Er ging kurz in die Hütte, kam wieder heraus, nahm seinen Rucksack. Das Vard und seine Holzschnitzerei packte er mit geschickten Griffen in den Rucksack, dann kam er wieder zu Kahil.
„Deine Freundin ist beim See.“ Er reichte ihm den Schlüssel zu den Handschellen. Kahil streckte die Hand aus und nahm sie in Empfang. „Was ...?“, stammelte er.
„Wir sehen uns wieder!“ Henk klopfte ihm auf die Schulter. Dann ging er davon. Er schritt bedächtig und anmutig auf die Stelle im Wald zu, woher er und seine Kumpanen aufgetaucht waren. Kurz darauf war er im dichten Wald verschwunden.
Kahil fühlte sich wie ein zuerst geschüttelter und dann gerührter Drink, der am Ende mit einer Olive auf einem Zahnstocher geschmückt wurde. Er kniff seine Augen zu. Träumte er?
In Selbstgespräche verwickelt, begannen seine Beine zu traben und steuerten den See an. Hatte der Mann die Wahrheit gesagt? War Lea unverletzt? Die letzten hundert Meter rannte Kahil so schnell er konnte. „Lea?“
Beim Steg angekommen, konnte er sie nicht übersehen. Lea lag geknebelt und mit einem Stück Stoff im Mund auf dem Landesteg. Sie bewegte sich wild, damit Kahil sie nicht übersah. Innerhalb von fünf Schritten war Kahil bei ihr. Er drehte sie, so dass er an die Handschellen herankam. Kein Blut, nirgends. Allah ist gross, dachte er.
Dann legte er sich neben sie, seinen Kopf auf ihren unversehrten Bauch, und weinte weiter. Weinte wie ein kleiner Junge. Lea streichelte seinen Kopf. Keine Gewalt, keine Gewalt, waren die Worte, die durch Kahil strömten, während seine Hände sich in ihrem T-Shirt vergruben.
Sie lagen einfach auf dem Steg. Schliesslich schliefen beide in genau dieser Stellung ein.
☸
Paris, 1 Tag nach „Tag X“
Takashi traf kurz nach Mitternacht bei Lea und Kahil ein. Sie nahmen den Mann mit denselben Worten wie Jean einige Stunden zuvor in Empfang.
„Hallo Takashi, du bist unter Freunden. Alles wird gut.“, sagte Lea.
Jean war als gebrochener Mann angekommen. Takashi jedoch schien überhaupt nicht einzusehen, wieso man ihn verhaftet hatte. Die Hand, die ihm Lea freundschaftlich entgegen streckte, beachtete er nicht. Er blickte Lea aggressiv an, was sie ein wenig an einen verängstigten Hund erinnerte, dem man dummerweise zu intensiv in die Augen geblickt hatte.
„Wo bin ich hier?“, fauchte Takashi sie an. „Was soll das? Wieso werde ich hierher gebracht?“ Takashi sass auf dem Hintersitz des Polizeiwagens, welcher ihn, Guillaume und Yeva ins C-Lager gebracht hatte. Da an dem Einsatz so einiges schief gelaufen war, hatte sich das Einsatzkommando entschlossen einen Polizeiwagen für den Transport einzusetzen.
Die Medien hatten natürlich sofort Wind von dem Vorfall im Ritz bekommen und waren auf den Place Vendome geströmt wie Fliegen, wenn sie Scheisse wittern. Es war auch kaum zu verbergen gewesen. Ein Mann, der im Ritz eine Fensterscheibe mit einem Stuhl einschlägt, so wie Guillaume es getan hatte, erregte Aufsehen. Jedenfalls war die Presse bereits vor Ort, als Yeva und Guillaume Takashi in Handschellen aus dem Keller brachten. Und weil Luc und Danielle einen Code 3 eingeleitet hatten, lag die Entscheidung über die Transportmethode nicht mehr beim Team Wachholder, sondern bei Helena Mesic in der zentralen Einsatzzentrale.
Takashi gedachte nicht freiwillig auszusteigen. Lea kniete sich neben der Seitentüre des Wagens hin, damit sie möglichst unbedrohlich wirkte. Doch Takashi missinterpretierte ihre Geste.
„Was lässt du mich in deinen Ausschnitt schauen? Denkst du deine Titten interessieren mich?“
Lea blieb in der Hocke. „Takashi, du hast versucht viele Menschen durch einen
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