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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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die Vollen. Ich spüre sofort, wie sich mein kleiner Freund regt, aber ich weiche zurück.
    »Du bist total verrückt«, sage ich.
    Sie lacht, kommt aber hinter mir her. »Soll ich vielleicht sagen: Trau dich doch?«
    Mit dem Tod meiner Mom endete jene selige Phase, in der wir andauernd vögelten, und es begann die selige Phase, in der wir trotz allem fast andauernd vögelten. Sex bietet eine Nähe und ein Vergessen, das uns Kraft gibt. Im Januar bekamen wir beide die Grippe und blieben drei Tage zu Hause. Wir fühlten uns ziemlich elend, hatten Fieber und viele andere unangenehme Symptome und schliefen die meiste Zeit. Aber trotzdem fielen wir alle paar Stunden übereinander her, die überhitzten Körper klebten aneinander wie zusammengeschweißt, und die Intensität und die Lust schienen Teil unseres fiebrigen Deliriums zu sein. Dieser Trancezustand ist irgendwie nie völlig abgeklungen.
    Was auch immer Annas exzentrische Seite wünscht, Sex in dem Bett, in dem meine Mutter starb, ist dann doch mehr, als ich verkraften kann, aber ich ziehe sie über den Flur in das Zimmer, in dem ich fünfundzwanzig Jahre geschlafen habe. Dieses Bett ist für mich vertrautes Terrain, was Sex angeht. Hier hatte ich als Dreizehnjähriger meinen ersten Orgasmus, mit mir allein, und hier schlief ich zum ersten Mal mit einem Mädchen - genauer gesagt mit Mike Pepis älterer Schwester, die schon fast zwanzig war -, und hier lieben wir uns. Als ich gerade an Runde zwei denke, setzt Anna sich abrupt auf.
    »Gott, hab ich einen Hunger«, sagt sie. »Komm, lass uns gehen.« Wir einigen uns auf Sushi. Es gibt da ein ganz ordentliches Restaurant, das auf dem Rückweg in die Stadt liegt.
    Wir holen die Krawatten und sind im Handumdrehen zur Tür hinaus. Zurück im Auto, spüre ich, wie sich die ganze Last der Situation wieder auf mich senkt. Das ist das Problem mit Sex. Ganz gleich wie lang er dauert, es gibt immer ein Danach.
    »Ich wünschte, du könntest dabei sein, wenn ich aussage«, erkläre ich. »Stern könnte die Gegenseite doch um Erlaubnis fragen, oder?«
    Sie denkt nur eine Sekunde darüber nach, ehe sie den Kopf schüttelt.
    »Das ist keine gute Idee. Wenn ich da bin und du irgendwann über den Abend reden musst, springt bestimmt einer von der Anklagevertretung auf und fragt mich, woran ich mich erinnere.«
    Von Anfang an hatte Anna die größte Angst davor, irgendetwas zu sagen, was die Lage meines Vaters verschlechtern würde, und im Grunde genommen könnte das durch jede Äußerung passieren. Schon die Kleinigkeit, die ihr heute Abend eingefallen ist, dass mein Dad am Tisch den Wein eingeschenkt hat oder dass er meiner Mom das Tablett mit tyraminhaltigen Vorspeisen anbot, würden Brand und Molto mit Tusch und Fanfarenstößen quittieren. Alle - Stern, Marta, mein Vater, Anna und ich - sind sich einig, dass es für uns besser ist, wenn sie eine von vielen Zeugen bleibt, die beide Parteien nur ungern aufrufen möchten, weil keiner weiß, was von ihnen zu erwarten ist.
    »Sandy hat mir heute Abend anvertraut, dass er meinen Vater eigentlich nicht aussagen lassen wollte.«
    »Tatsächlich?«
    »Er hatte Angst, Molto würde bei der Befragung die Gelegenheit nutzen, den Geschworenen ein umfassendes Bild zu zeichnen. Und er fürchtete, Yee könnte eventuell seine Entscheidung im Hinblick auf die Affäre ändern und Molto erlauben, darauf einzugehen. Was Molto auch versucht hat.«
    »Ist nicht dein Ernst!«
    »Ich hab es nicht mal fertiggebracht, im Saal zu bleiben und mir anzuhören, wie sie drüber reden. Ehrlich, ich hab immer noch so ein Scheißgefühl á la >Dieser alte Sack - mein Dad?< Jedes Mal wenn die Sache zur Sprache kommt.«
    Sie lässt sich Zeit, wägt ihre Antwort sorgfältig ab. Wir haben eine unterschiedliche Haltung zu diesem Thema, weil er nicht ihr Dad ist, ganz einfach.
    »Letzten Endes ist es deine Sache«, sagt sie, »und ich sag es dir ja auch nicht zum ersten Mal, aber irgendwann wirst du darüber wegkommen müssen.«
    Diese Diskussion ist mittlerweile alt. Und endet immer mit meinem sturen Beharren darauf, dass der Tod meiner Mutter irgendwie mit der Affäre zusammenhängt.
    »Es war einfach so verdammt blöd«, sage ich. »Und so verdammt egoistisch. Findest du nicht?«
    »Doch, das war es«, sagt sie. »Aber soll ich dir mal ehrlich sagen, was ich denke? Ich hab doch einen Typen kennengelernt, in den ich mich verkuckt hab.«
    »Ein supertoller Typ«, sage ich.
    »Absolut«, antwortet sie. »Aber dieser

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