Der letzte Bissen
schwenkte.
Eine holzvertäfelte Tür öffnete sich. Die Sekretärin erschien und schenkte Sarah ein professionelles Lächeln. »Herr Eberwein hat jetzt Zeit für Sie!«
Die Frau ließ die Tür offen stehen und Sarah spürte ihren abschätzenden Blick, als sie an ihr vorbei das Büro betrat.
Das Erste, was sie wahrnahm, war ein Bild von Imogen, das über dem wuchtigen Schreibtisch hing. Tofu im Kronleuchter hatte sie das abstrakte Ölgemälde scherzhaft genannt, als Imogen es ihr präsentiert hatte. Und unverkäuflich, hatte sie im Stillen gedacht. Sie war überrascht, wie gut es mit der minimalistisch-edlen Büroeinrichtung des Staatssekretärs harmonierte. Eberwein erwartete sie, vor dem Schreibtisch stehend, und lächelte sie an, dass ihr heiß und kalt wurde.
»Sie glauben gar nicht, wie mir Ihr Besuch den Tag versüßt«, flötete er und es klang ehrlich. Sie streckte ihm die Hand entgegen, aber Eberwein nahm sie nicht zur Kenntnis, sondern küsste sie auf die Wangen, als seien sie gute Freunde.
Sarah betete, dass sie nicht rot wurde. Eberwein deutete auf eine Gruppe von Sesseln, die in der Ecke des äußerst geräumigen Büros stand. »Setzen Sie sich bitte.«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er Kurs auf die angezeigten Möbel. »Ich habe Frau Semper gebeten, uns einen Tee zu machen. Oder möchten Sie lieber Kaffee?«
»Tee ist gut«, sagte Sarah und spürte, dass ihre Stimme belegt war.
»Ich habe Ihren Blick auf das Bild bemerkt.«
»Ich kenne den Maler.«
»Ich auch. Netter Typ. Kaufen Sie auch Bilder?«
»Nicht in dieser Preisklasse.«
»Kann ich mir normalerweise auch nicht leisten. Dieses hier hat der Steuerzahler bezahlt!«
Die Zeit, bis die Sekretärin den Tee brachte, verbrachten sie mit Smalltalk. Sarah erfuhr, dass Eberwein mit Vornamen Bruno hieß, in Hamburg Jura studiert und im Stab des dortigen Innenministers gearbeitet hatte. Dort war er seinem Parteifreund, dem heutigen Innenminister, aufgefallen, der ihm nach den gewonnenen Wahlen den Job als Staatssekretär angeboten hatte. Die Wahlen waren Schicksalswahlen gewesen, denn die größte Oppositionspartei hatte sich klar gegen die von der Regierung anvisierte Fleischprohibition ausgesprochen. Aber das durch Vogelgrippe und Gammelfleischskandale tief verunsicherte Volk hatte mit großer Mehrheit der Regierung den Rücken gestärkt. Vier Monate nach Regierungsantritt waren die Herstellung, der Vertrieb und der Verzehr von Fleisch schrittweise verboten und dann unter Strafe gestellt worden. Zeitgleich waren die skandinavischen Länder, Großbritannien und die Benelux-Länder ebenso verfahren. Nach und nach hatten sich auch die übrigen Staaten der EU dem Fleischverzicht angeschlossen. Polen hatte allerdings erst vom Vatikan ermahnt werden müssen und als letztes Land hatte sich Frankreich zur Prohibition bekannt. Damit war Europa bis zur russischen Grenze fleischfrei geworden.
»Und selbst?«, erkundigte sich Eberwein.
»In Lübeck aufgewachsen, in Berlin Kriminalistik studiert, zuerst im Dezernat Eigentumsdelikte gearbeitet, später in der Soko Fleisch. Mein Leben ist nicht annähernd so spannend wie Ihres.«
Sarah wollte seine Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen und keinesfalls den Eindruck erwecken, sie sei eine Plaudertasche.
»In der letzten Woche war Ihr Leben ziemlich spannend.« Eberwein sah sie wissend an. »Ich bin informiert. Das wird sich doch hoffentlich alles aufklären?«
»Ich hoffe.«
»Wenn ich Ihnen in der Angelegenheit dienlich sein kann, sagen Sie es frei heraus.«
»Nein.« Sarah schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Deshalb bin ich nicht hier.«
Zunächst stockend, dann aber sehr konzentriert, berichtete sie von der Bergung des toten Griesers, von der Verlautbarung, er habe sich das Leben genommen, ihren Beobachtungen in der Artischocke und im Zoo. Sie erwähnte ihr Gespräch mit Liebisch, nicht aber, dass der Kriminalrat sie zum Stillschweigen verdonnert hatte.
Eberwein hatte sie nicht ein einziges Mal unterbrochen und mit wachsender Aufmerksamkeit zugehört.
Als sie ihren Vortrag beendet hatte, massierte er sich mit den Zeigefingern die Stirn. Sarah fiel auf, dass er keinen Ehering am Finger trug.
Der Staatssekretär stand wortlos auf, ging zum Schreibtisch und kehrte mit einer Mappe in der Hand zurück. »Sie haben natürlich Recht. Grieser ist ermordet worden, man hat ihm die Kehle durchgeschnitten. Fundort ist nicht Tatort. Hier ist der Obduktionsbefund.«
Er klappte die Mappe auf und
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