Der letzte Bissen
verließ wortlos den Raum.
»Ich bitte das Verhalten meines Sohnes zu entschuldigen.«
»Ich kann ihn verstehen. Kein Problem.«
Wollweber nahm das Schreiben und setzte seine Lesebrille auf. Er ließ sich Zeit beim Studium des Papiers und überlegte einen Moment.
Harder goss den restlichen Inhalt der Flasche in sein Weinglas.
»Geben Sie mir Ihren Kugelschreiber«, sagte Wollweber schließlich. »Ich akzeptiere.«
Harder reichte ihm einen Füllfederhalter und eine Kopie des Textes. Wollweber setzte seine Unterschrift auf das Papier, anschließend zeichnete auch Harder das Schriftstück ab.
»Noch heute geht eine Kopie des Films an die Kanzlerin«, sagte Wollweber und griff zu seinem Glas. »Wir geben dem Kabinett vier Tage Zeit, um den Gesetzesentwurf zurückzuziehen und die verschärften Zollkontrollen einzustellen, ansonsten werden wir das Material veröffentlichen. Das wäre dann das Ende dieser Regierung.«
»Jede andere ist besser als diese.« Harder prostete Wollweber zu. »Cheers!«
»Auf uns!«
Die Gläser klirrten.
18.
Sarah und Bastian saßen im Aufenthaltsraum der Wache des Reviers, in dem sie ihren Streifendienst versahen. Hier waren sie ungestört, selbst die hartgesottensten unter den Kollegen der Wache hielten sich nur gezwungenermaßen hier auf, denn jede Wartehalle eines S-Bahnhofs wirkte einladender. Die Platte des primitiven Plastiktisches war übersät mit Brandflecken, in einem vergessenen Glas gammelten Essiggurken vor sich hin, eine Topfpflanze hatte den Kampf ums Überleben bereits vor geraumer Zeit aufgegeben. Auch die wackligen Stühle und das fleckige Sofa ließen das Ambiente des Raums nicht angenehmer erscheinen. Es stank nach kalten Kippen und gegorenem Obst. Sarah ertappte sich, dass sie für einen Moment neidvoll an das Büro von Eberwein dachte.
»Du bist doch total durchgeknallt!«, war Bastians erster Kommentar, nachdem ihm Sarah von ihrem Gespräch mit Eberwein berichtet hatte. »Liebisch röstet uns auf seinem Gartengrill, wenn er davon erfährt.«
»Von wem soll er es erfahren? Oder willst du petzen?«
Bastian bedachte sie mit einem missbilligenden Blick.
Sarah warf ein Stück Zucker in ihren Kaffee, der so dünn war, dass sie bis zuletzt zugucken konnte, wie sich die Kristalle auflösten.
»Immerhin haben wir jetzt die Bestätigung, dass Grieser umgebracht worden ist. Und wir wissen, dass sich Wollwe-ber und der Bergmann, sprich Harder, offenbar verbündet haben.«
»Ja und?« Bastian entsorgte seinen leeren Pappbecher im Papierkorb.
»Mensch, Bastian. Du warst bei der Mordkommission, ich bei der Soko Fleisch. Wir sind Spezialisten, wir haben Verbindungen. Der Zufall hat uns Griesers Leiche vor die Füße gelegt. Niemand kann uns hindern, an der Sache dranzubleiben.«
»Das ist nicht unsere Aufgabe.«
»Willst du bis zur Pensionierung diesen beschissenen Streifendienst machen? Wenn wir einen guten Job erledigen, dann können wir bald wieder auf unseren alten Posten sein.«
»Was könnten wir tun, was andere nicht schon längst getan haben?«
Sarah zuckte mit den Schultern. »An Boris Wollweber dranbleiben. Der scheint mir am ehesten eine Schwachstelle zu sein. Wir wissen ja, wo er ein und aus geht. Wir könnten versuchen, über diesen Typen, der neulich in der Artischocke mit Wollweber gesprochen hat und offensichtlich einer von den Leuten des Bergmanns ist, einen Schritt weiterzukommen. Wir haben alle Möglichkeiten der Welt, wir müssen nur wollen.«
Ein uniformierter Polizist mit Segelohren und Schnurrbart kam herein, einen Plastikbecher fest im Griff. Er wollte sich setzen, blieb aber stehen, als er Bastian erkannte.
»Also ist es doch wahr«, sagte er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich war im Urlaub und habe erst heute die frohe Nachricht erhalten. Hatte ich es nicht gesagt, man trifft sich immer zweimal.«
Bastian warf dem Mann einen verächtlichen Blick zu. »Ich dachte, man hätte Sie rausgeschmissen!«
Der Polizist zuckte mit den Achseln. »Personalknappheit. Da nehmen sie bei der Fleifa ja sogar Kameradenschweine wie dich!«
Mit einer Schnelligkeit, die Sarah ihm nicht zugetraut hätte, sprang Bastian auf, nagelte den Mann an einen Spind und versetzte ihm einen kurzen, harten Hieb vor die Brust. Der Polizist schnappte nach Luft. Bastian wich zurück. Der Mann stank aus dem Hals, als hätte er einen Aschenbecher ausgeleckt. Wenn man seinen Atem in Flaschen abfüllte, konnte man ihn als chemische Waffe benutzen.
Sarah
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