Der letzte Bissen
wirklich ein fauler Sack geworden, einer dieser Beamten, die nur noch Dienst nach Vorschrift machten und die Tage bis zur Pensionierung zählten?
Was sprach dagegen, ein Risiko einzugehen und auf eigene Faust zu ermitteln? Er hatte keine Familie, um die er sich sorgen musste. Er hatte nichts zu verlieren als die Bequemlichkeit.
Er zog das Handy hervor und wählte eine Nummer, die er auswendig kannte. Willi hatte tatsächlich Zeit, ihn zu treffen. Bastian sagte, dass er im Kino sei. Willi versprach, sich zu beeilen.
Der Film gefiel Bastian nicht. Es war eine dieser Liebesgeschichten mit Hindernissen, bei der schon nach zehn Minuten klar war, dass sich das ungleiche Paar schließlich finden würde. Offenbar gab es im Original ein paar freche Sätze über die Prohibition und darüber, wie man sie umgehen konnte, denn einige Kinobesucher lachten. Im Gegensatz zu Bastian schienen die Amüsierten der französischen Sprache mächtig zu sein, denn der Untertitel gab keinen Anlass für einen Lacher. Bastian wurde erneut wütend. Sie nehmen einem alles! Sie wollen die totale Gehirnwäsche!
Jemand setzte sich neben ihn. Es war Willi.
»Wie ist der Film?«
»Scheiße. Sie fälschen sogar die Übersetzung!«
»Was erwartest du? Mein Junge hat neue Schulbücher bekommen. Sie tun jetzt so, als habe sich die Menschheit immer nur vegetarisch ernährt. Da ist ein Bild von einem Neandertaler drin. Der nagt nicht am Mammutknochen, sondern an einer Möhre!«
»Ich wusste gar nicht, dass du einen Sohn hast?«
»Michael, er wird jetzt acht.«
»Was denkt er, was du arbeitest?«
»Import, Export.«
Hinter ihnen platzte jemandem der Kragen. »Könnt ihr nicht mal die Schnauze halten!«
Bastian hob die Hände. »Entschuldigung. Wir sind schon weg!«
Bastian und Willi gingen in die nächste Kneipe und orderten Bier. Das Lokal hatte entweder seine Glanzzeiten hinter sich oder vergilbte Poster, verschlissene Sitzpolster und Spinnweben in den Ecken repräsentierten einen neuen Trend in der Kneipenszene. Die Aschenbecher auf den einfachen Holztischen waren offenbar das letzte Mal entleert worden, als die Amerikaner den Mond eroberten, Eric Burdon besang lautstark Thehouse of the rising sun und auch der Wirt sah aus, als habe er das Verfallsdatum überschritten.
»Vielleicht sollten wir besser das Lokal wechseln«, meinte Bastian, als er an seinem Bierglas einen verwischten Lippenstiftabdruck entdeckte.
»Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.« Willi wischte den Rand des Bierglases mit einem Taschentuch ab. »Was ist passiert, dass du dich mit mir in aller Öffentlichkeit triffst. Hat man dich endgültig rausgeschmissen?«
»Noch nicht, aber ich arbeite daran.«
»Also, was willst du?«
»Du kennst doch den Bergmann?«
»Wer will das wissen? Der Polizist Bennecke?«
»Dein Freund Bastian.«
Willi löste seinen Zopf und steckte ihn neu zusammen. »Niemand weiß, wer er in Wirklichkeit ist. Darüber gibt es nur Spekulationen.«
»Aber du arbeitest für ihn?«
»Nicht nur. Manchmal kauf ich auch von Wollwebers Truppe. Je nachdem, was im Angebot ist. Ich bin da eine ziemliche Ausnahme. Die meisten Zwischenhändler haben ihre festen Zulieferer. Ich habe einen guten Ruf und mache hohen Umsatz. Deshalb werde ich akzeptiert, von beiden Seiten.«
»Ich brauche einen Kontakt zum Bergmann.«
Willi lachte laut auf. »Den wollen viele. Vergiss es!«
»Wie kriegst du deine Lieferung vom Bergmann?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Hätte ich sonst gefragt?«, sagte Bastian gereizt.
Willi schüttelte den Kopf.
Bastian schob sich nahe an seinen Kumpel heran. »Ich habe dir mehr als einmal den Arsch gerettet. Darf ich dich daran erinnern, dass ich es war, der dich vor der Razzia im Hafen gewarnt hat. Sechzehn Leute haben sie damals hochgenommen, die sitzen alle noch im Knast.«
Willi legte seine Hand auf Bastians Schulter. »Darf ich dich daran erinnern, dass ich mich mit einem Truthahn bedankt habe.«
»Mensch, Willi.« Bastian brachte einen traurigen Gesichtsausdruck zu Stande. »Ich würde dich nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre.«
»Ich weiß beim besten Willen nicht, wie man an den Bergmann rankommen kann«, sagte Willi, aber es klang nicht sehr überzeugend.
»Du hast aber eine Idee«, meinte Bastian, »das sehe ich dir an!«
Willi seufzte. »Du bringst mich in Teufels Küche.«
»Da gibt’s die besten Fleischgerichte.«
Willi ließ sich Zeit für seinen nächsten Satz. »Ich kriege meine Ware über einen
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