Der letzte Bissen
keine Freunde«, sagte Böckel und das klang nicht wie ein Scherz. »Ich leide an einer Drüsenkrankheit. Ich dusche mindestens dreimal am Tag, aber das ändert nichts. Ein Deo würde alles nur schlimmer machen. Die Personalabteilung weiß Bescheid, sie hat mir deshalb ein Einzelzimmer zugewiesen, in dem ich vor mich hin stinken darf.«
»Du meine Güte, das habe ich nicht gewusst.« Sie hatte Mitleid mit dem armen Kerl. Würde er je eine Frau finden? Vielleicht gab es eine, deren Geruchssinn nicht funktionierte. Sarah schämte sich für diesen Gedanken.
Für Böckel war das Thema erledigt. Er warf Sarah einen Schnellhefter zu. »Der Obduktionsbericht von Froese. Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten. Der Gerichtsmediziner hat ausdrücklich vermerkt, dass es Parallelen zum Fall Grieser gibt. Offenbar dieselbe Tatwaffe.«
»Irgendeine Spur vom Täter?«
»Nein. Der Kollege hat mir gesagt, dass sie ansonsten keine Vergleichsfälle gefunden haben. Sie tappen völlig im Dunkeln.«
»Bleibst du weiter an der Sache dran?«
»Ich habe dir versprochen, dass ich dir helfen werde, deine Unschuld zu beweisen. Das meinte ich ernst.«
Sarah ging zur Tür. »Danke fürs Erste. Ich melde mich wieder.«
Böckel hatte noch etwas auf dem Herzen: »Ich habe darüber nachgedacht, ob ich mich mal erkundige, ob es nicht eine nette Frau ohne Geruchssinn gibt. Ich meine, schließlich bin ich ein Mann im besten Alter.«
Er schaute sie fragend an.
»Ich finde, das solltest du machen«, sagte Sarah.
Bastian parkte den Wagen vor dem Haus, entfernte die Reklame aus seinem Briefkasten und erklomm die vierundvierzig Stufen bis zu seiner Etage. Als er vor seiner Wohnung angekommen war, hatte er entschieden, dass er Willi zu einem Arzt bringen würde. Auch gegen dessen Widerstand. Er wollte nicht riskieren, dass sich Willis Wunde infizierte.
Bastian schloss die Tür auf und betrat die Wohnung. Seine Hoffnung, Willi habe aufgeräumt, hatte sich nicht erfüllt. Küche und Wohnzimmer waren noch immer in einem saumäßigen Zustand. Er öffnete die Schlafzimmertür. Der faule Kerl lag bäuchlings auf dem Bett und träumte wahrscheinlich davon, dass Heinzelmännchen den Job erledigten.
Bastian rüttelte an seiner Schulter. »Danke, dass du die Küche aufgeräumt hast.«
Willi reagierte nicht. Bastian zog die Decke weg.
Sein Kumpel lag in einer eigenartig gekrümmten Haltung auf dem Laken, das rot eingefärbt war. Ganz langsam wurde Bastian klar, dass Willi nie wieder den Abwasch machen würde. Er drehte ihn auf den Rücken. In Willis Brust klaffte ein kreisförmiges, tiefes rotes Loch.
38.
Eine halbe Stunde nach seinem Anruf war Bastians Wohnung überfüllt. Mediziner und Spurensicherer hatten das Schlafzimmer okkupiert, in seiner Küche saßen Kollegen vom Kriminaldauerdienst und der Mordkommission. Bastian war nicht erfreut, dass er auch Rippelmeyer in die Wohnung hatte lassen müssen. Doch Rippelmeyer war zusammen mit einem jungen, unbekannten Kollegen, der offenbar gerade die Polizeiakademie verlassen hatte, von ihrem Chef für diesen Fall abkommandiert worden.
Bastian informierte seinen ehemaligen Partner über alles, was mit Willis Auftauchen in seiner Wohnung zusammenhing. Er erwähnte den Stab im Innenministerium, der nach dem Mann fahndete, der Willi angeschossen hatte, und den ausdrücklichen Wunsch der Leute, dass er Willi in seiner Wohnung beherbergte. Er würde Eberwein schon dazu kriegen, die Sache nachträglich abzusegnen. Der Staatssekretär stand schließlich in seiner Schuld.
Rippelmeyer machte sich Notizen und vermied es, Bastian in die Augen zu schauen.
Bastian wusste, dass der Fall bei Rippelmeyer gut aufgehoben war. Sein Expartner war zwar ein Riesenarschloch, aber ein guter Polizist. Wenn Rippelmeyer einen betrunkenen Autofahrer erwischte, würde er ihn am liebsten eine Woche öffentlich an einem Schandpfahl zur Schau stellen, einem Dieb mindestens einen Finger abhacken und Ehebruch wieder unter Strafe stellen. Rippelmeyer hatte nie begriffen, dass Verbrechen auch aus Leidenschaft und Verzweiflung geschehen konnten, durch Verführungen, die stärker waren als die Vernunft. Motive waren für Rippelmeyer böhmische Dörfer, das Strafgesetzbuch der Maßstab, mit dem er die Welt beurteilte. Wenn der Bundestag ein Gesetz erlassen würde, das das Tragen von Bärten zu einer strafbaren Handlung erklärte, wäre Rippelmeyer der Erste, der mit Schere und Rasierer Streife laufen würde.
Der Mediziner kam in die
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