Der letzte Bissen
Küche und winkte Bastian zu sich. Er präsentierte mit einer Pinzette ein schwarzes taubeneigroßes Etwas. »Das haben wir in seinem Mund gefunden.«
»Was ist das?«
»Ein Stück Kohle.«
Damit war klar, wer für Willis Tod verantwortlich war. Bastian hätte es sich gleich denken können.
Als der tote Willi in einen Sarg gehievt wurde, stand Sarah in der Tür. Sie war fix und fertig, als sie den Mann in der Kiste erkannte. Sie weinte stumm und ungeniert. Erst jetzt löste sich bei Bastian der Knoten in der Brust und er bekam ebenfalls feuchte Augen.
Er riss sich zusammen, um sich vor den Kollegen keine Blöße zu geben, und kam sich dabei reichlich bescheuert vor. Vor Jahrtausenden hatten sich in der Spezies Mann kleine Macho-Geister eingenistet, die einige Sprüche kreiert hatten, die sie bei Bedarf von sich gaben. »Ein Mann weint nicht«, »Du bist doch keine Heulsuse«, »Flenn nicht wie ein Weib«, »Was sollen denn die anderen von dir denken«.
Diese Macho-Geister hatten das Römische Reich, die Pest und Alice Schwarzer überlebt, sie würden noch in tausend Jahren Männer daran hindern, ihre Gefühle zu zeigen.
Sarah wischte sich die Tränen mit ihrem Ärmel ab.
»Wie konnten sie ihn finden? Es wusste doch keiner außer uns, dass er bei dir war.«
»Keine Ahnung«, sagte Bastian. »Vielleicht hat sich Willi dadurch verraten, dass ihm sein Kumpel seine Sachen gebracht hat. Oder sie haben sein Handy geortet.«
Die Wohnung leerte sich allmählich. Die Spezialisten hatten ihre Arbeit beendet. Auch Rippelmeyer und sein neuer Partner verdrückten sich.
»Ruf mich an, wenn dir noch was einfällt. Ich werde dich auf dem Laufenden halten«, sagte der Expartner zum Abschied.
An Willis Aufenthalt in seiner Wohnung erinnerte nun nur noch die verbotene Ware in Bastians Abstellkammer und eine Packung Zigarettenpapier, mit dem Willi seine Joints gebaut hatte. Alles andere hatten die Kollegen mitgenommen.
»Ich wollte eigentlich nur meine Sachen holen und mir anschließend ein Hotelzimmer suchen«, sagte Sarah.
»Mir wäre es lieb, wenn du noch eine Nacht bleiben könntest.« Es fiel Bastian nicht leicht, diese Bitte zu äußern. »Allein fällt mir bestimmt die Decke auf den Kopf.«
39.
Nicht weit vom Innenministerium, in einer ruhigen Nebenstraße, befand sich Eberweins Lieblingsrestaurant. Es bot alles, was der Staatssekretär von einem Restaurant erwartete: weiß eingedeckte Tische, Stühle aus edlem Holz und eine raffinierte Beleuchtung, die den großen Raum hell und transparent erscheinen ließ. Elegante Raumteiler sorgten für Intimität, sodass man hier auch vertrauliche Gespräche führen konnte. An den Wänden hing moderne Kunst, unter anderem von Eberweins Lieblingsmaler Imogen Suhrkamp.
Koch Guérard kredenzte eine raffinierte frische Küche, die sich an den französischen Klassikern orientierte und gleichzeitig von den kulinarischen Ideen des Mittelmeerraums beeinflusst wurde. Zu den Spezialitäten des Maître gehörten Blumenkohlcreme mit würzigem Tomatengelee und Tartelettes mit Pinienkernen und Mandeln.
Eberwein und Jungclausen hatten sich zu einem außerplanmäßigen Treffen verabredet und nahmen zum Kaffee einen Calvados.
»1,4 Tonnen?« Jungclausen nippte an dem Braungebrannten. »Das ist eine Menge Zeug.«
»Und deshalb kann ich das nicht allein entscheiden. Das muss der Minister absegnen.«
»Er hockt den ganzen Tag im Krisenstab herum und redet der Kanzlerin ein, dass alles nicht so schlimm sei«, erzählte Jungclausen.
»Er wird begreifen, dass das unsere einzige Chance ist, an Wollweber heranzukommen. Wenn wir den haben, ist die Staatskrise vorbei und dein Chef kann sich wieder mit seinem britischen Amtskollegen besaufen.«
»Auf deine Leute ist Verlass?«
»Die sind noch besser, als ich dachte. Die Idee kam ihnen spontan, als Wollweber sie liquidieren wollte.«
»Ich spreche mit dem Innenminister. Morgen früh hast du das Okay.«
Die beiden prosteten sich zu. Eberwein musterte seinen Freund über den Rand seines Cognacschwenkers. »Wer war eigentlich die Rothaarige, die ich neulich an deiner Seite gesehen habe?«
»Die jüngere Schwester unserer Gesundheitsministerin. Ich habe ihr ein bisschen die Stadt gezeigt.«
Eberwein gab der Kellnerin ein Zeichen, die Rechnung vorzubereiten. »Hast du vor, das Ressort zu wechseln?«
»Langfristig schon.«
»Ich dachte, du bist ganz glücklich mit deinem Job.«
»Bin ich auch. Aber nur einer von uns beiden kann der
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