Der letzte Bissen
Brust. Nur Zentimeter trennen seine Lippen von ihrer Brustwarze, um den Tropfen zu stoppen, als das Handy klingelt.
Nicht jetzt, dachte Bastian. Nicht jetzt!
Das Klingeln hörte nicht auf und Sarahs unsanfter Stoß beförderte Bastian zurück in die Wirklichkeit.
Er lag im Pyjama auf einer Campingliege, die er sich von seinem Nachbarn geliehen hatte.
Sarah, die auf dem Sofa geschlafen hatte, war bereits angezogen. Sie trat ans Fenster und nahm das Gespräch an. Bastian begriff, dass sie mit Eberwein telefonierte, denn ihre Stimme klang sanft und rollig.
Bastian schaute auf die Uhr. Es war neun in der Früh.
Er schlich ins Bad und stieg unter die Dusche. Er wollte seine Körperporen von dem Angstschweiß befreien, der noch immer an ihm klebte. Die Angst, die er auf der Lichtung gespürt hatte, die Beklemmung, dass in seiner Wohnung ein Mensch erschossen worden war.
Den Abend hatten Sarah und er wortkarg vor der Glotze verbracht. Bastian konnte sich nicht an den Film erinnern, den sie gesehen hatten. Gegen Mitternacht hatten sie ihre provisorischen Nachtlager bereitet und das Licht gelöscht. Über Stunden hatte Bastian wach gelegen und gespürt, dass auch Sarah nicht einschlafen konnte. Sie hatte sich von einer Seite auf die andere gewälzt. Irgendwann war er dann doch eingeschlafen und hatte von seinen verstorbenen Eltern geträumt, von seiner Zeit als Student, von seiner ersten Liebe. Und dann hatte sich Sarah in seine Träume geschlichen.
Bastian hätte stundenlang unter dem heißen Wasserstrahl stehen bleiben können, doch Sarah kam ins Badezimmer klappte den Klodeckel herunter und setzte sich darauf.
»Ich dusche«, knurrte Bastian.
Darauf ging Sarah gar nicht ein. »Eberwein hat das Okay bekommen. Der Transporter wird heute Nachmittag in der Asservatenkammer bestückt. Er hat vier Leute ausgesucht, die bei der Aktion dabei sind, sie sind bereits informiert. Jetzt müssen wir nur noch Wollweber anrufen und ihm sagen, dass die Sache genau so läuft, wie du ihm erzählt hast.«
»Er wird seine eigenen Pläne haben.«
Bastian stellte die Dusche ab, Sarah schob den Duschvorhang zur Seite und reichte ihm das Handtuch.
»Sportlich gehalten für dein Alter. Kein Gramm Fett zu viel.«
»Wo soll das Fett auch herkommen, bei dem Stress.«
Sarah erhob sich. »Ich mach uns Frühstück.«
Voller Wehmut dachte Bastian an den Wurstaufschnitt in der Abstellkammer.
Als er angekleidet ins Wohnzimmer kam, hatte Sarah bereits den Tisch gedeckt und ihr Telefonat mit Boris Wollweber getätigt.
»Sie werden den Transporter an der Brücke in Karlshorst stoppen. Dort findet auch die Übergabe des Geldes statt.«
»Er wollte nicht handeln?«
»Nein, aber wir kriegen das Geld in zwei Raten. Die erste sofort und die zweite nach Verkauf der Ware.«
Ihr privates Handy klingelte. Sarah warf einen Blick auf das Display und drückte den Anruf weg.
»Imogen«, mutmaßte Bastian.
»Er gibt nicht auf. Zweimal hat er mir schon die Mailbox voll gequatscht. Das mit Petra sei nichts Ernstes, ein Ausrutscher, es täte ihm leid, er würde mich doch lieben und überhaupt die schöne Zeit und so weiter.«
»Du gibst ihm keine Chance mehr?«
»Ich bin zu alt, um mich von einem Mann so verletzen zu lassen.«
Hoffentlich passiert dir das mit Eberwein nicht auch, dachte Bastian, aber er verbiss sich den Kommentar und stattdessen in ein Salatblatt, mit dem Sarah das Käsebrot garniert hatte.
Der Käse schmeckte wie immer nach Chemie, obwohl man ihn in naturidentische Aromastoffe getunkt hatte. Echten Käse gab es nicht mehr, seitdem es keine Kühe, keine Schafe und keine Ziegen mehr gab. Die Käsekopien aus den Fabriken glichen äußerlich zwar den früheren Originalen, aber wer einmal einen richtigen Appenzeller gegessen hatte, den konnte man nicht täuschen.
Bastian hatte sich auch in einer anderen Sache nicht getäuscht. Sarah war in ihren Gedanken bei Eberwein. In der schlaflosen Nacht hatte sie das Bild vom eingesargten Willi verdrängen wollen und ihr bisheriges Liebesleben Revue passieren lassen.
Sarah hatte kein Glück mit Männern gehabt. Ihre Jugendliebe, ein neunzehnjähriger Serbe, den die Kriegswirren nach Deutschland verschlagen hatten, verließ sie nach einem leidenschaftlichen Sommer für eine zehn Jahre ältere Kroatin. So sehr es Sarah im Prinzip freute, wenn Liebe über die Feindschaft von Nationen triumphierte, in diesem Fall hatte sie die Völkerfreundschaft verabscheut, zumal sie am Tag ihrer
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