Der letzte Bissen
blätterte durch die Berichte der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung. Nichts Neues. Schließlich stieß er auf ein Schreiben mit der Überschrift Betr. Liebisch, E. Kriminalrat. Absender des Schreibens war das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Bastian musste den drei Seiten langen Bericht zweimal lesen, bevor er den Sachverhalt begriff. Der Verfasser äußerte die Vermutung, dass Liebisch für die Organisation des Bergmanns arbeite, und konstatierte, dass der Tod von Willi mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Verrat Liebischs verursacht worden sei. Noch fehlten letzte Beweise, aber das Telefon und der Postverkehr des Kriminalrats würden bereits überwacht.
Bastian hörte Schritte und klappte die Mappe zu.
Als Eberwein den Raum betrat, saß Bastian wieder auf seinem Platz.
»Der Innenminister hat uns Fleißkärtchen geschenkt«, sagte Eberwein in seiner ungemein gut gelaunten Art. »Er beglückwünscht uns und drückt uns weiterhin die Daumen.«
Er ließ sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen und strahlte Bastian an. »Was kann ich Ihnen Gutes tun?«
»Mich nach Hause entlassen. Das war ein harter Tag. Sarah, ich meine Frau Kutah, wird sich sicherlich auf meinem Handy melden.«
»Kein Problem. Mein Fahrer bringt Sie heim.«
Bastian stand auf und reichte Eberwein die Hand. »Nicht nötig, ich nehme mir ein Taxi.«
»Wir bleiben in Kontakt!« Der Staatssekretär begleitete ihn zur Tür.
Nachdem er sie hinter Bastian wieder ins Schloss gedrückt hatte, öffnete Eberwein einen Wandschrank und drückte auf die Stopptaste eines Videorekorders. Er ließ das Band zurücklaufen und schaute sich an, wie Bastian die Mappe auf seinem Schreibtisch studierte.
Eberwein grinste. Er nahm das Liebisch-Dossier und ließ den Reißwolf seinen Job machen.
49.
In dem Kellergewölbe roch es nach Abfluss. Eine Vierzig-Watt-Birne, die schmucklos von der Decke hing, flackerte, als wollte sie sich weigern, der tristen Umgebung weiterhin Licht zu spenden. Sarah konnte sich frei bewegen. Allerdings gab es im Keller nichts zu entdecken. Ein paar ausrangierte Maschinen zur Wurstherstellung, leere Kartons, Hausmüll in zugeschnürten Säcken. Es gab ein vergittertes Fenster in drei Meter Höhe und eine schwere, verschlossene Eisentür.
Sarah vermutete, dass sie seit über drei Stunden in diesem Verlies hockte. Bisher hatte sich niemand blicken lassen. Wollweber hatte offenbar genug mit den Auswirkungen der Polizeirazzia zu tun und sich die >Unterhaltung< mit ihr für spätere Zeiten vorbehalten.
Es machte klack und die Glühbirne gab ihren Geist auf. Sarah tastete sich die Wand entlang und erfingerte ein paar leere Kartons. Sie setzte sich auf die Pappe und lehnte sich an die Wand. Die Dunkelheit machte die Stille noch unheimlicher. Nein, ganz still war es nicht, in einer Ecke raschelte und fiepte es. Die Ratten schauten nach dem Rechten. Sarah war hundemüde, aber sie nahm sich vor, nicht einzuschlafen.
Als sie wach wurde, fielen die ersten Sonnenstrahlen durch das vergitterte Fenster. Sie erhob sich ächzend, reckte und streckte sich. Sie hatte Durst. Sie machte erneut einen Inspektionsgang durch ihr Gefängnis.
Ihr Blick fiel auf eine Klappe im Boden, weniger als einen Quadratmeter groß. Es gab eine Eisenschlaufe, mit der man die Klappe öffnen konnte. Offenbar war sie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden, Sarah brauchte eine Viertelstunde, bis sie die Klappe aufgestemmt bekam. Ein entsetzlicher Gestank nahm ihr den Atem. Sie war auf die Kanalisation gestoßen. Eine verrostete Leiter führte zu einem zwei Meter breiten Abflusskanal. Um mehr erkennen zu können, hätte Sarah die Leiter hinunterklettern müssen, aber sie glaubte nicht, dass es ohne Taschenlampe Sinn machte, den Vorhof zur Hölle zu erkunden.
Sie stellte sich unter das Fenster. Die Gitterstäbe warfen ein bizarres Muster auf ihr Gesicht. Sie dachte an Bastian. Nicht dass sie ihm das gleiche Schicksal gewünscht hätte, aber sie wäre froh gewesen, wenn er jetzt an ihrer Seite gestanden hätte.
Ein unendlich langer Zug donnerte an seiner Großhirnrinde vorbei, über Schienen, die jahrzehntelang nicht befahren worden waren. Die Waggons ratterten über die Nähte der Gleise. Hinter seiner Stirn rotierte der Zementmischer, während im Nacken Hochhäuser einstürzten.
Das Handy klingelte. Bastian öffnete mühsam die Augen und blinzelte auf die Uhr. Es war kurz nach acht.
Er hatte vor dem Schlafengehen noch ein paar Gin
Weitere Kostenlose Bücher