Der letzte Bissen
bahnte sich einen Weg zur Tischkante. Immerhin hatten sich die Wachleute den Luxus erlaubt, aus richtigen Kaffeetassen zu trinken. Krischka stutzte.
»Irgendwo muss noch einer sein!«, sagte er. »Sucht ihn. Wir brauchen ihn lebend!«
Ohne Widerspruch verteilten sich seine Männer. Niemand fragte ihn, warum er sich so sicher war, dass sich irgendwo jemand versteckt hielt. Nachdenklich betrachtete Krischka die sechs Kaffeebecher.
45.
Sarah hatte ihren Wagen auf dem Parkplatz stehen gelassen und war zu Wollweber in die Limousine gestiegen. Es war mittlerweile eine Stunde her, dass die Reise begonnen hatte. Boris war kreuz und quer durch Karlshorst gekurvt, Sarah kannte sich in der Gegend nicht aus und hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden.
Zwischendurch hatte Boris einen Telefonanruf erhalten und Zufriedenheit artikuliert. Offenbar war bisher alles nach Plan verlaufen. Der alte Wollweber war eingeschlafen. Boris hatte mit Hinweis auf seinen ruhebedürftigen Vater jeden Versuch einer Konversation im Keim erstickt.
Boris stoppte die Limousine auf dem Seitenstreifen einer kaum befahrenen Straße und starrte in die Dunkelheit. Sarahs Finger spielten mit dem Staunetz, das an die Rückenlehne des Fahrersitzes gespannt war, und entdeckten eine Illustrierte. Im Inneren des Wagens war es zu dunkel, um zu lesen, und so steckte sie das Heft zurück, das aber irgendwo aneckte. Sarah fingerte in der Ablage herum und förderte eine leere schwarze Dose hervor. Laut Aufschrift hatten sich darin Salmiakpastillen befunden.
Sie wollte sie wieder zurücklegen, als sie sah, dass es sich nicht um irgendwelche Salmiakpastillen handelte, sondern dass die Bonbons aus Spanien stammten: smint. Autentico sabor a regaliz.
Sarah schoss das Blut in den Kopf. Sie kannte die schwarze Box und die Pastillen. Petersen hatte sie von seinem letzten Urlaub auf Mallorca mitgebracht. Zehn oder fünfzehn Schachteln.
Konnte es sein, dass jemand in Wollwebers Umfeld den gleichen Geschmack hatte? Oder war es möglich, dass Petersen auf diesem Sitz gesessen hatte?
Sie kramte in ihrem Gedächtnis, um Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen Petersen und Wollweber zu finden. Petersen hatte vor nicht allzu langer Zeit erheblich zur Verhaftung von vier Dealern beigetragen, die für den Bergmann gearbeitet hatten. War das sein Entree bei Wollweber gewesen?
Endlich wurden die Scheinwerfer des Transporters und der zwei Begleitfahrzeuge im Rückspiegel sichtbar. Gleichzeitig klingelte Boris’ Handy. Er murmelte Zustimmung in die Muschel und startete den Motor. Die Limousine setzte sich an die Spitze des Konvois.
Sarah ließ die Box in ihrer Handtasche verschwinden. Wenn sich darauf die Fingerabdrücke von Petersen befanden, waren ein paar Erklärungen fällig.
Bastian würgte die Gänge rein. Das Getriebe schrie auf.
»Du fährst, als hättest du nie eine Fahrschule besucht«, knurrte sein Begleiter.
Bastians Hemd war mittlerweile ein nasser Lappen. Er schmeckte salzige Tropfen auf seinen Lippen. Ein Königreich für ein Bier!
Wollwebers Limousine bog nach rechts in einen Weg ein. Bastian hatte den Blinker übersehen und riss das Steuer erst im letzten Moment herum. Der Lkw kam ins Schlingern und drohte, von der Straße abzukommen. Die Bremsen blockierten, der Bewacher hielt die Luft an. Doch irgendwie schaffte es Bastian, wieder auf Kurs zu kommen.
Wollwebers Limousine stoppte, Bastian trat in die Eisen. Sein Beifahrer küsste die Scheibe. Der Mann griff unter seine Maske und befühlte seine Nase. Wenn Blicke töten könnten, wäre Bastian auf der Stelle umgefallen.
»Was jetzt?«, fragte Sarah und suchte Boris’ Blick im Rückspiegel. Der alte Wollweber kam zu sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Endstation.«
Boris stieg aus, Sarah tat es ihm nach.
Bastian und sein Bewacher standen bereits im Scheinwerferlicht des Transporters.
Boris Wollweber öffnete den Kofferraum und reichte Sarah einen Aktenkoffer. »Die andere Hälfte gibt es nach dem Verkauf, so war es abgemacht.«
Aus einem der beiden BMW stiegen zwei Männer vom Rücksitz und kaperten den Transporter.
»Man bringt Sie zu Ihrem Wagen zurück. Ich werde mich melden.«
Sarah und Bastian wandten sich in Richtung der Begleitfahrzeuge.
»Moment noch!« Der alte Wollweber winkte seinen Sohn zu sich. »Warten Sie!«
Boris ging zu seinem Vater. Sarah und Bastian konnten nicht verstehen, was die beiden besprachen. Aber aus Boris’ Tonfall war zu schließen,
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