Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Bissen

Der letzte Bissen

Titel: Der letzte Bissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Ard
Vom Netzwerk:
für Haarwuchsmittel, Wonderbras und Gartenscheren bei einem Minisender angeboten worden, was sie allerdings abgelehnt hatte und stattdessen lieber ihren Mann bekochte, einen fleißigen Autor und Initiator der Leidensgemeinschaft Gatten im Schatten.
    Die Kellnerin brachte Eberwein den Espresso und räumte die Teller weg. Eberwein fragte nach der Rechnung und schüttete sich Zucker in den Kaffee.
    »Was soll denn bis morgen noch passieren?«
    Der Staatssekretär lehnte sich entspannt zurück. »Stell dir vor, die Kanzlerin hätte den Film jetzt schon. Dann würde sie denken, das Ganze sei ein Kinderspiel gewesen.« Er warf seinem Freund das zusammengeknüllte Zuckertütchen vor die Brust. »Und stell dir jetzt vor, wir überreichen der Regierung den Film eine Stunde vor Ablauf des Ultimatums, wenn die Rücktrittserklärungen schon formuliert sind und die Herren und Damen Minister bereits ihre Rentenbezüge ausgerechnet haben.«
    Jungclausen musterte sein Gegenüber. »Heißt das, dass du noch eine Trumpfkarte im Spiel hast?«
    »Möglicherweise.«
    »Erzähl!«
    »Dafür ist es zu früh.«
    »Ich bin dein bester Freund!«
    »Deshalb ist es besser, wenn du nichts weißt. Wenn es schief geht, werden sie mich kreuzigen. Und ich möchte nicht, dass du am Kreuz daneben hängst. Vertrau mir.«
    Die Kellnerin präsentierte die Rechnung.
    Eberwein zeigte mit dem Finger auf Jungclausen. »Er zahlt!«
     

55.
     
    Als Boris Wollweber die Augen aufschlug, verspürte er entsetzliche Kopfschmerzen. Er massierte seine Stirn. Seine Umgebung nahm er nur wie durch eine Nebelwand wahr. Erst nach einigen Minuten realisierte er, dass er auf eine graue Wand starrte. Unter ungeheurer Kraftanstrengung gelang es ihm, den schmerzenden Kopf zu drehen. Er befand sich in einem kleinen, fensterlosen Raum. Zehn Quadratmeter Deutschland: eine Eisentür, eine Matratze, eine Plastikflasche mit Wasser, ein Blecheimer. Das spärliche Licht einer Taschenlampe machte das Verlies nicht wohnlicher.
    Boris fingerte nach der Wasserflasche, bekam sie schließlich zu fassen und trank gierig. Bedenken, dass das Wasser vergiftet sein könnte, hatte er nicht. Wenn sie ihn hätten umbringen wollen, hätten sie ihn nicht erst eingesperrt.
    Trotz der pulsierenden Schmerzen versuchte er, sein Gehirn zu strapazieren. Das Letzte, an das er sich erinnerte, waren das Parkhaus und eine Bewegung, die er im Spiegel der Scheiben wahrgenommen hatte.
    Wie viel Zeit war seitdem vergangen? Er tastete nach seiner Uhr, aber sein Armgelenk war nackt. Die Taschen seiner Hose und seines Sakkos waren leer, man hatte ihn gründlich gefilzt.
    Boris brauchte zehn Minuten, bis er sich von der Matratze erhoben und sich schwankend zur Tür vorgearbeitet hatte. Sie war wie erwartet verschlossen. Er presste sein Ohr an das kalte Eisen, aber es war nichts zu hören als das Pochen in seinem Schädel.
    Er schnupperte. In dem Raum roch es nach Rauch. Boris nahm die Taschenlampe auf und leuchtete sein Verlies ab. An den Wänden entdeckte er schwarze Rußflecken. Und dort musste sich einmal ein kleines Fenster befunden haben, aber es war zugemauert worden. Der Mörtel war an einigen Stellen noch feucht, offenbar hatten die Maurer erst kürzlich ihre Arbeit beendet.
    Boris versuchte, den frischen Zement mit den Fingern aus den Fugen zu pulen. Nach wenigen Minuten brach ein Fingernagel ab, er hatte lediglich ein Loch in der Größe eines Ein-Cent-Stückes frei geprokelt. Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
    Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass der Raum über keine Frischluftzufuhr verfügte. Er tastete die Umrisse der Eisentür ab, sie war tatsächlich luftdicht verschlossen. Boris schätzte, dass er bei einer Deckenhöhe von maximal zweieinhalb Metern fünfundzwanzig Kubikmeter Luft zum Atmen hatte. Wann würde der Sauerstoff verbraucht sein? Sollte er elendig ersticken?
    In einem Anflug von Panik donnerte er gegen die Tür. So lange, bis ihm die Faust wehtat. Nichts geschah.
    Erschöpft legte er sich wieder auf die Matratze und versuchte, sich zu beruhigen. Je heftiger er atmete, desto schneller würde er den verbleibenden Sauerstoff verbrauchen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Heben und Senken seiner Brust. Kurz darauf schlief er ein.
     
    Günther Wollweber schaute auf seine Armbanduhr. Sein Sohn war lange überfällig. Er hatte mehrfach versucht, ihn über sein Handy zu erreichen, aber nur die Mailbox war angesprungen.
    Er bugsierte seinen Rollstuhl an den Tisch und

Weitere Kostenlose Bücher