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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wichtig.«
    Palmer wohnte in der Observatory Street, einer gepflegten kleinen Nebenstraße unten an der Woodstock Road. Ja, wenn das so sei … Natürlich könne er ihn treffen – selbstverständlich. Sie verabredeten sich für halb neun im The Bull and Stirup , der ganz in der Nähe von Palmers Wohnung, in der Walton Street lag.
    Der Pub machte schon von draußen einen heruntergekommenen Eindruck. Drinnen sorgte die funzelige Beleuchtung dafür, daß man nicht allzuviel von der schäbigen Einrichtung erkennen konnte. Die Gäste wirkten ärmlich. Als Morse kam, wurde gerade lautstark ein Wettkampf im Pfeilwerfen ausgetragen. Aber Hauptgesprächsthema war das große Geld. Die einen hofften auf einen Totogewinn, die anderen versuchten offenbar ihr Glück mit Pferdewetten. Morse sah sich um und hatte nur den einen Wunsch, die Sache mit Palmer schnell hinter sich zu bringen, um diesem deprimierenden Ort möglichst bald wieder den Rücken kehren zu können. Doch Palmer machte zunächst Schwierigkeiten. Er sperrte sich, redete herum, und erst, als er begriff, daß Morse schon alles wußte und nur noch eine Bestätigung brauchte, begann er zu reden. Zuerst stockend und nicht ohne einen gewissen trotzigen Unterton erzählte er Morse seine ebenso banale wie klägliche Geschichte. »Ich nehme an, Sie finden mein Verhalten unverzeihlich«, schloß er.
    Morse musterte ihn kühl. »Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin nicht verheiratet.« Nach einer halben Stunde, um neun Uhr, trennten sie sich.
    Morse fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit die Woodstock Road hinauf, bis ein Streifenwagen weiter vorn ihn veranlaßte, sein Tempo zu drosseln und auf die vorgeschriebenen 30 Meilen herunterzugehen. Als er den Kreisverkehr passierte, mußte er daran denken, daß hier die Tragödie ihren Anfang genommen hatte. In Yarnton hielt er vor dem Haus von Mrs. Jarman. Er hatte noch eine Frage an sie.
    Auf dem Heimweg schaute er kurz im Präsidium vorbei. Die Korridore lagen im Dunkeln, aber er machte sich nicht die Mühe, die diversen Schalter anzuknipsen. In seinem Büro ging er geradewegs an seinen Schreibtisch, schloß die linke untere Schublade auf und holte den Umschlag heraus. Der Brieföffner in seiner Hand zitterte etwas. Er glaubte nicht an Wunder, und doch … Ein letztes Fünkchen irrationaler Hoffnung war geblieben. Er sah auf die Antwort, die Jennifer Coleby ihm übermittelt hatte, und ohne die einzelnen Wörter lesen zu müssen, erfaßte er ihren Sinn mit einem Blick. Es gab tatsächlich keine Wunder.
    Er löschte das Licht und schloß hinter sich ab. Das letzte noch fehlende Teil des Puzzles war gefunden und hatte sich nahtlos eingefügt.
     

Kapitel 30 – Samstag, 23. Oktober
     
    Sue hatte seit dem Frühstück versucht, ihren Brief an David zu schreiben. Ein- oder zweimal war es ihr gelungen, mehr als nur die Anrede und einen einleitenden Satz aufs Papier zu bringen, doch war sie über eine halbe Seite nicht hinausgekommen, und auch diese Versuche waren schließlich im Papierkorb gelandet. Sie begann von neuem.
     
    Mein lieber David,
    Du bist immer so liebevoll und gut zu mir gewesen, und ich weiß, daß das, was ich Dir jetzt mitteile, Dir weh tun wird. Aber ich denke, daß Du es erfahren mußt. Ich habe mich vor einiger Zeit in einen anderen Mann verliebt, und ich …
     
    Sie wußte nicht mehr weiter. Wieder zerknüllte sie das Blatt und nahm einen frischen Bogen.
     
    Morse war an diesem Morgen ernst und verschlossen. Er hatte eine unruhige Nacht hinter sich, wie so oft in den letzten Tagen. Er brauchte dringend Erholung.
    »Sie sehen müde aus, Sir«, bemerkte Lewis mitfühlend.
    Morse nickte. »Ja. Und ich bin froh, daß wir endlich am Ziel sind.« Er setzte sich etwas auf und holte tief Luft. »Wie Sie wissen, Lewis, sind mir im Laufe der Ermittlungen immer wieder Irrtümer unterlaufen, doch habe ich seltsamerweise nie völlig die Richtung verloren. Erinnern Sie sich, wie wir am Abend des 29. in den Black Prince gerufen wurden und im Hof zusammen an Sylvia Kayes Leiche standen? Ich weiß noch genau, daß ich zu den Sternen emporblickte und dachte, wie unzählig viele uns verborgene Zusammenhänge sich ihnen wohl offenbarten in all den Jahrmillionen, die sie auf uns heruntersehen. Gleich in diesen ersten Stunden hatte ich ein Gefühl, ohne daß ich es hätte begründen können, als ob hinter dem, was da so offensichtlich schien, etwas anderes läge, von dem ich nur eine vage Ahnung hatte. Auf den ersten Blick sah

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