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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Quittungen und Belege auf Deinem Schreibtisch. Mr. Anderson bekommt noch 5 Pfund – für das Beschneiden des Apfelbaumes. Ich habe seine Anschrift nirgends finden können.
    Früher waren wir alle einmal so glücklich miteinander. Diese Zeit kann uns niemand nehmen. Sorge gut für die Kinder. Sie sollen sich keine Gedanken machen – sie können nichts dafür, es liegt allein an mir. Ich bitte Dich, nicht zu schlecht von mir zu denken, und verzeih mir, wenn Du kannst.
    Margaret
     
    Ihre letzte Mitteilung an ihn würde Crowther keine Linderung bringen – eher im Gegenteil, aber früher oder später mußte er sich doch damit auseinandersetzen. Morse reichte ihm den Brief. »Es hilft nichts, es aufzuschieben.«
    Bernard nahm ihn, las und legte ihn dann schweigend, mit einer Geste, die fast gleichgültig wirkte, beiseite. Der Brief hatte keine Erschütterung mehr in ihm auslösen können. Das Maß seiner Verzweiflung war voll. »Wie soll ich es den Kindern sagen?« fragte er nach einiger Zeit.
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen, Sir. Das nehmen wir schon in die Hand.« Die Stimme des Arztes klang resolut. Es war nicht das erste Mal, daß er an den Ort einer Familientragödie gerufen wurde. Nachträglich – wenn alles vorbei war, und er tat, was ihm zu tun übrigblieb, mit geradezu wütender Entschlossenheit. »Als erstes nehmen Sie jetzt mal …«
    »Wie soll ich es den Kindern sagen?« Er war ein zerstörter, gebrochener Mann.
    Morse ließ ihn in der Obhut des Arztes und zog sich mit Bell in das vordere Zimmer zurück. Er warf einen Blick auf den Schreibtisch, wo Margaret offenbar sämtliche Unterlagen ihrer Haushaltsführung zu akkuraten kleinen Stapeln geordnet hatte. Bankauszüge, Quittungen über bezahlte Versicherungsprämien und Hypothekenraten, ein dünnes Bündel Wertpapiere. Als stünde eine Revision ins Haus, dachte Morse. Anscheinend waren die geschäftlichen Dinge alle von ihr erledigt worden. Morse rührte nichts an. Das alles betraf nur Crowther und seine Frau. Als er ihn im Präsidium vernommen hatte, war sie noch am Leben gewesen.
    »Sie kennen den Mann?« fragte Bell.
    »Wir haben uns heute morgen zuletzt gesehen. Ich hatte einige Fragen an ihn im Zusammenhang mit dem Fall Kaye .«
    »So?« Bell schien überrascht.
    »Er hat Sylvia Kaye und noch ein anderes Mädchen am Abend des Mordes in seinem Auto mitgenommen.«
    »Hat er etwas damit zu tun?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Morse.
    »Und der Selbstmord hier? Gibt es da Ihrer Meinung nach eine Verbindung zu der Sache in Woodstock?«
    Morse zuckte hilflos die Achseln.
    Draußen vorm Haus wartete noch immer der Krankenwagen. Ab und zu bewegte sich hinter den Fenstern der Häuser leise eine Gardine und verriet, daß es auch hier Nachbarn gab, die sich nichts entgehen ließen. In der Küche beugte sich Morse über Margaret Crowther. Er hatte sie sich hausbackener vorgestellt. Sie mußte recht hübsch gewesen sein. Knapp vierzig. Ein paar graue Haare, aber immer noch eine gute Figur. Das feingeschnittene Gesicht war jetzt verzerrt und blau angelaufen.
    »Ein langsames Sterben«, bemerkte Bell. »Ich glaube, es hat keinen Sinn, sie noch länger hierzulassen.«
    »Nein«, sagte Morse, »das hat wohl keinen Sinn.« Er verabschiedete sich von Bell.
    Der Polizeiarzt rief ihn zurück. »Könnten Sie kurz noch einmal hereinkommen, Inspector?«
    Als er das Haus betrat, sagte der Arzt: »Er will unbedingt mit Ihnen sprechen.«
    Crowther saß, den Kopf zurückgelegt, mit geschlossenen Augen noch immer im Sessel. Er atmete schwer, und sein Gesicht war schweißbedeckt. Das Beruhigungsmittel mußte bald anfangen zu wirken.
    »Inspector«, er öffnete langsam, wie unter großen Mühen, die Lider. »Inspector, ich muß mit Ihnen reden.« Das Sprechen schien ihm schwerzufallen, und Morse blickte fragend zu dem Arzt hinüber. Der schüttelte nachdenklich den Kopf.
    »Nicht jetzt«, sagte Morse. »Ich komme morgen wieder.«
    »Inspector, ich muß Ihnen etwas sagen.«
    »Ja, ich weiß. Aber das eilt jetzt nicht.« Morse legte ihm beruhigend die Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich feucht und kalt an.
    »Inspector …« Es war nicht mehr als ein Flüstern. Das Bild des Zimmers verschwamm ihm vor den Augen, und sein Kopf sank auf die Seite.
    Morse fuhr langsam die Southdown Road hinunter und bog dann nach links in die Charlton Road. Jennifer Coleby und Crowther wohnten wirklich nicht mehr als einen Katzensprung voneinander entfernt. Die Nacht war von undurchdringlicher

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