Der Letzte Bus Nach Woodstock
sehen, aufgab. Mir war auf einmal alles viel zu riskant.« Er hielt inne. Peter sah ihn plötzlich mit ganz anderen Augen.
»Aber das ist doch noch nicht alles, Peter. Ich habe mich dann nämlich noch an demselben Abend mit der anderen eingelassen. Ich weiß, es klingt unglaublich, aber es ist wahr. Sie war so etwas von sinnlich …« Er lehnte sich zurück und schüttelte in der Erinnerung daran den Kopf. »Ich habe sie genommen, hinten auf dem Rücksitz in meinem Wagen.
Du kannst dir nicht vorstellen, wie scharf ich war! Und danach, als wir fertig waren, da habe ich sie stehenlassen. Das ist es, was mir nicht in den Kopf will. Daß ich sie da habe stehenlassen und daß sie dann kurze Zeit später …«
»War das auf dem Hof des Black Prince ?«
Bernard nickte. »Ja. Da, wo es passiert ist.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Es tut gut, endlich darüber zu sprechen.«
»Wirst du es auch der Polizei sagen?«
»Da ist noch etwas, Peter …« Er brach ab, begann jedoch gleich darauf von neuem. »Ich weiß nicht, ob ich es dir erzählen soll … Du mußt mir versprechen, darüber Stillschweigen zu bewahren …« Er blickte Peter fragend an, wartete aber dessen Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: »Ich glaube, daß außer uns noch jemand auf dem Hof war. Ich meine, ich hätte eine Bewegung gesehen. Etwas Genaues konnte ich nicht erkennen, dazu war es viel zu dunkel.« Seine Stimme war sehr leise geworden. Das lange Reden schien ihn erschöpft zu haben, und Peter stand besorgt auf.
»Nein, geh nicht!« Er mußte noch etwas loswerden. Gleich hatte er es hinter sich. »Der Gedanke, daß uns jemand beobachtet haben könnte, beunruhigte mich furchtbar. Auf der Rückfahrt hielt ich an, um einen doppelten Whisky zu trinken. Und dann, als ich weiterfuhr …« Er zögerte einen kurzen Moment und sagte: »Sie fuhr direkt vor mir. Anstatt zurückzubleiben, habe ich sie überholt. Ich weiß, daß sie mich gesehen hat.«
»Wer hat dich gesehen, Bernard? Von wem redest du?«
Bernard hielt die Augen geschlossen; es war, als habe er die Frage nicht gehört. »Ich habe mich erkundigt. Sie war an dem Abend nicht bei ihrem Kurs.« Er öffnete die Augen, erleichtert darüber, daß er es geschafft hatte, sich jemandem anzuvertrauen. Gut, daß es Peter war.
Newlove war vor innerer Erregung aufgestanden. Den Mund dicht an Bernards Ohr, fragte er: »Du meinst, es war Margaret, die sie umgebracht hat?« Er hatte langsam und so deutlich wie möglich gesprochen. Bernard nickte. »Und daß sie deshalb …?« Der Kranke nickte erneut. Langsam und sehr müde. »Ich komme morgen wieder, Bernard. Du brauchst jetzt Ruhe.«
Er hatte sich schon zum Gehen gewandt, als Bernard ihn mit schwacher Stimme noch einmal ansprach. Aus weit geöffneten Augen sah er ihn an und hob mühsam die rechte Hand – eine Geste, die in ihrer grenzenlosen Mattigkeit um so zwingender war.
Peter trat zu ihm ans Bett. »Du mußt jetzt schlafen, Bernard.«
»Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Peter.«
»Entschuldigen? Wofür?«
»Sie haben doch sicher herausbekommen, auf wessen Schreibmaschine der Brief geschrieben wurde, oder?«
»Ja. Auf meiner.«
»Ich habe ihn geschrieben, Peter. Ich habe deine Maschine benutzt, weil meine nicht funktioniert. Ich hätte es dir sagen müssen. Ich habe nicht damit gerechnet …«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Das ist ganz unwichtig.«
Nein, da irrte sich Peter. Es war nicht unwichtig. Aber er hätte selbst nicht sagen können, warum. Es war mehr eine Ahnung. Und er war zu erschöpft, um jetzt darüber nachzudenken. Margaret! Margaret war tot. Erst allmählich begann er zu ermessen, welcher Abgrund sich da für ihn auftat.
Er lag in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen. Vor seinem inneren Auge erstanden einzelne Szenen des Dramas, das sich ihm jetzt nach und nach in seiner ganzen Komplexität zu enthüllen begann. Die Erinnerung an jenen Abend war frei von jeder Emotion, so, als sei er nur immer Zuschauer gewesen und nicht auch einmal Akteur.
Er erkannte sie in dem Augenblick, als er anhielt, aber da war es zu spät. Wieso trampte sie heute? Ohne ein Wort stieg sie gleich hinten ein. Sie und das blonde Mädchen, das sich zu ihm nach vorne setzte, kannten sich offensichtlich, und es mußte ihr – genau wie ihm – klar sein, wie gefährlich die Situation war, daß sie aufpassen mußten, sich nicht durch ein Wort oder eine Geste zu verraten. Er war erleichtert, daß sie darum bat, sie in Begbroke
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