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Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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würden Sie mir einen Gefallen tun? Darf ich Ihnen etwas diktieren?«
    »Ja, natürlich, Mr. Crowther.«
    »An Inspector Morse …« Der Arzt holte einen Notizblock aus seiner Tasche und begann zu schreiben. Die Nachricht war nur kurz. Crowther sank, als er fertig war, erschöpft zurück. Der Arzt griff nach seinem Handgelenk. Der Puls war unregelmäßig und wurde immer schwächer. Bernard fühlte die Sauerstoffmaske auf seinem Gesicht. Er nahm alles um sich herum mit übergroßer Deutlichkeit wahr. Sterben ist einfach, dachte er, viel einfacher als Leben. Ein kleines, wehmütiges Lächeln lag auf seinem Gesicht. Mit unerwarteter Energie schob er die Maske beiseite. »Herr Doktor, sagen Sie meinen Kindern, daß ich sie liebe.« Es waren seine letzten Worte.
    Er schloß die Augen und schien in einen tiefen Schlaf zu fallen. Das war um 2 Uhr 35. Er starb vier Stunden später um 6 Uhr 30 – vor Sonnenaufgang und noch ehe die ersten Geräusche des wiedererwachenden Tages die nächtliche Stille zerrissen.
     
    Morse stand zu Füßen des Toten. Es war halb neun. Vor zwei Stunden hatte man Crowthers sterbliche Überreste mit der in Krankenhäusern üblichen Verschämtheit eilig in die Leichenhalle gebracht. Morse sah ihn an. Er hatte ihn gemocht. Ein intelligentes, sensibles Gesicht – ein gutaussehender Mann. Margaret mußte ihn einmal sehr geliebt haben, hatte tief in ihrem Innern vielleicht nie aufgehört, ihn zu lieben. Und Margaret war nicht die einzige gewesen. Morse blickte auf den Zettel in seiner Hand und las noch einmal die Nachricht, die Crowther ihm hinterlassen hatte:
     
    An Inspector Morse. Verzeihen Sie mir. Ich habe Ihnen nicht in allen Punkten die Wahrheit gesagt. Bitte ziehen Sie sie nicht mit hinein. Sie hat nichts damit zu tun. Ich habe Sylvia Kaye getötet.
     
    Der Arzt, der den Brief für ihn geschrieben hatte, war aus dem Text, der ihm da diktiert worden war, nicht ganz schlau geworden, aber Morse wußte, was er meinte. Crowther mußte, noch kurz bevor er starb, die Wahrheit erraten haben.
    Morse warf einen letzten Blick auf den Toten. Der hatte nun alles hinter sich. Er wandte sich um und ging.

Kapitel 28 – Freitag, 22. Oktober, vormittags
     
    Einige Stunden später saß Morse in seinem Büro und unterrichtete Lewis von Crowthers Tod und seinem Geständnis. »Daß dieser Fall so außerordentlich schwierig war, liegt nicht an den vielen Lügen, die uns erzählt worden sind, sondern daran, daß uns die Beteiligten eine Mischung aus Lüge und Wahrheit aufgetischt haben, in der ich mich oft selbst nicht mehr zurechtfand. Aber ich habe den Eindruck, wir sind der Lösung jetzt sehr nahe.«
    »Ich dachte, wir hätten sie schon.«
    »Aber, Lewis! Wenn man statt eines Geständnisses gleich zwei hat, ist der Fall doch nicht gelöst. Damit wissen wir doch immer noch nicht, wer Sylvia Kaye nun ermordet hat.«
    »Vielleicht werden wir es nie erfahren, Sir. Eins der Geständnisse ist ja wohl nur abgelegt worden, um den anderen zu entlasten. Aber wer da nun wen deckt – er sie, oder umgekehrt …«
    »Aber Sie werden doch sicher eine Vermutung haben, Sergeant?«
    »Ich glaube, daß sie es getan hat.«
    »Pah!« Der Inspector machte eine wegwerfende Handbewegung. Lewis nahm es gelassen. Dann hatte er also nach Morses Ansicht falsch geraten, aber das mußte nichts heißen. Der Inspector war ja weiß Gott auch nicht unfehlbar. »Es würde mich aber schon interessieren, Lewis, wie Sie darauf kommen. Na los, erzählen Sie mal.«
    »Nun, ich habe das Gefühl, daß es stimmt, was sie schreibt, daß sie herausfinden wollte, mit wem ihr Mann sich traf, und daß sie ihm deshalb nachging und ihn dort auf dem Hof beobachtete. Sonst könnte sie einiges von dem, was sie uns in dem Brief mitteilt, gar nicht wissen.«
    »Weiter«, sagte Morse.
    »Also zum Beispiel, daß die beiden vorn ausgestiegen sind und sich auf die Rückbank gesetzt haben. Das stimmt genau überein mit dem Bericht der Spurensicherung. Da stand doch drin, daß in Crowthers Wagen hinter dem Beifahrersitz ein Haar von Sylvia lag. Aus der Zeitung kann sie das nicht haben. Solche Einzelheiten sind dort nie erwähnt worden.«
    Morse nickte. »Was Mrs. Crowthers Anwesenheit auf dem Hof angeht, da gebe ich Ihnen recht, Lewis. Sie war an dem Abend auch nicht bei ihrem Kurs in der Volkshochschule. Ihr Name ist jedenfalls nicht abgehakt. Ich war da und habe mir die Teilnehmerliste angesehen.«
    Lewis war erfreut, wenn auch überrascht, daß Morse ihm ein

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