Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schneider
Vom Netzwerk:
Er war jetzt kein Kind mehr und musste lernen, die Aufgaben der erwachsenen Männer zu meistern. Eines Tages, in nicht ferner Zukunft, sollte er die wichtige Arbeit des Vaters übernehmen, das Feuer am Ort seiner Sippe ständig in Gang zu halten. Sie war die einzige weit und breit, die sich darauf verstand, steinerne Messer, Pfeil- und Speerspitzen zu schlagen.
    Es gab noch einen anderen Grund, warum man den jungen Mann an diesem Tage mitnahm: Zum Ärger seines Vaters hatte sich Lakti in der letzten Zeit mehr mit dem Malen von Bildern auf dunklen Schieferplatten beschäftigt, als sich der „praktischen“ Arbeit zu widmen. Die meisten Männer suchten Feuerholz, wenn sie nicht auf der Jagd waren, schlugen Speerspitzen, Messer und Beile aus geeignetem Stein oder schnitzten Gegenstände wie gekrümmte Nadeln aus dem harten Holz der alten Ginsterbüsche.
    Und der Sohn des Feuerwärters? Er war viele Stunden damit beschäftigt, klumpigen Sand und ockerfarbenen Lehm zu vermischen. Damit experimentierte er und bemalte glatte Felsen damit. Dabei hatte ihn sein Vater schon früh gelehrt, wie man mit Feuerstein Funken schlagen konnte, um ein Feuer zu entzünden. Denn das war seine Aufgabe: Wenn die Großfamilie im Sommer den Herden hinterherwanderte, trug Laktis Vater die wertvollen Feuersteine im Beutel mit sich. Sobald ein Lagerplatz gefunden war, musste das Feuer in Gang gebracht werden. Im Winter, wenn die Familie in ihrer Höhle lebte, durfte das Feuer nicht ausgehen.
    Aber an diesem Tag der Suche nach neuen Feuersteinen trödelte Lakti am Ende der kleinen Gruppe, die sich am Ufer flussaufwärts bewegte, vor sich hin. Wie so oft interessierten ihn die Farben der abgebrochenen und ausgewaschenen Uferhänge mehr als die Steinsuche: Das Braun und Gelb der Tonerde, die rötlichen gewellten Bänder aus dem mit Eisen durchzogenen Sand waren für ihn wunderbare Motive, aus denen er in seiner Fantasie ganze Bildlandschaften formte.
    Böse Überraschung
    „Lakti, wo bleibst du? Beeil dich!“, rief sein Vater. Die Männer waren schon viel weiter oben im Flusstal.
    „Jaja, ich komme“, antwortete Lakti, dachte aber nicht daran, schneller zu gehen. Im Gegenteil, er blieb stehen. In der Böschung hatte er eine besonders schöne Stelle mit gelben und rötlichen Farben entdeckt. Mit einem flachen Stein kratzte er einige Brocken ab und verstaute sie in seinem Fellbeutel. Mit seiner von feuchter Erde farbigen Fingerspitze malte er sich ein Zeichen auf die Stirn und betrachtete sein Spiegelbild, das das Wasser reflektierte.
    Dann fand er Aschereste von verbranntem Wacholder in der Uferböschung. Die eigneten sich wunderbar zum Zeichnen von Linien! Er nahm einen dünnen zerfaserten Zweig als Pinsel und begann, auf seinem Handrücken und Arm zu malen.
    Leise summte er vor sich hin, denn er war voller Freude über seinen Fund und diese Zeichentechnik, die er hier auf seiner Haut ausprobierte. Plötzlich spürte er einen kühlen Wind in seinem Gesicht. Er sah auf. Die Sonne war bereits tief gesunken. Gleich würde die Dämmerung beginnen. Sein Vater und der Bruder des Vaters waren nirgendwo zu sehen.
    „Ach, sie sind bestimmt schon weitergegangen“, beruhigte er sich. Rasch verschloss Lakti den Beutel mit den gefundenen Farben und wandte sich zum Gehen. Der Wind wurde stärker. Er beschleunigte seine Schritte.
    „Vater!“, schrie er. „Eri, wo seid ihr?“
    Keine Antwort. Nur der Wind pfiff durch das Flusstal. Lakti lief, so schnell er konnte, flussaufwärts. Vergessen war das Suchen nach farbigen Erden, nach besonderen Formen in der Uferböschung, nach brauchbaren Zweigen für das Zeichnen und Malen ...
    Er lief und lief, bis seine Brust schmerzte und er völlig außer Atem war. Er musste ausruhen, stand mit geschlossenen Augen, seine Tasche an sich gepresst.
    „Ruhig“, sagte er sich, „ich muss ruhig werden, etwas ausruhen, dann weiter.“
    Er kniete nieder, schöpfte Wasser mit der hohlen Hand, benetzte sein glühendes Gesicht. In diesem Augenblick traf ihn ein schwerer Schlag seitlich am Kopf. Lakti verlor das Bewusstsein.
    In einer fremden Sippe
    Als er wieder zu sich kam, lag er an Händen und Füßen mit getrocknetem Bast gefesselt unter einer Eiche. Voller Angst blickte er umher. Wo war sein Fellbeutel mit dem kostbaren Inhalt? In der Nähe brannte ein Feuer. Er spürte den warmen Schein auf seinem Gesicht.
    Drei Kinder schlichen vorsichtig wie auf Katzenpfoten heran. Sie musterten ihn neugierig und ängstlich zugleich.

Weitere Kostenlose Bücher