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Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schneider
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sangen von einem König, der die Stadt Uruk einst erbaute.“
    „Gilgamesch ist sein Name. Er ist zum Teil Mensch, zum Teil Gott. So steht es in meiner Erzählung.“
    „Du hast Gilgamesch verfasst?“
    „Nicht nur ich. Mehrere vor mir und viele nach mir werden diese Geschichte weiterführen. Noch in Tausenden Jahren wird man von Gilgamesch sprechen.“
    „Dann verstehe ich nicht, warum man dich deswegen eingesperrt hat.“
    „Ich beschrieb ihn nicht nur als schön und mutig in meinen Versen. Auch als grausamen Herrscher stellte ich ihn dar, der die Menschen verachtete. Die Schrifttafeln, auf denen ich dies ausgeführt hatte, kamen der obersten Behörde im Tempelbezirk zu Gesicht. Die Priesterschaft schickte ihre Häscher aus. Ihre Angst ist zu groß, dass jemand mithilfe der Schrift das Volk aufwiegeln könnte.“
    „Wie denn? Nur wenige können lesen und schreiben. Ich habe es im Haus der Schüler und auf dem Markt gehört.“
    „Die Kraft des Gesanges und der Poesie entfaltet sich auch, wenn ein anderer sie vorträgt.“
    „Das ist wahr.“
    „Worte können stärker sein als Waffen, die Herrschenden wissen es zu allen Zeiten und verfolgen die Dichter. So sitze ich hier und erwarte ein Urteil. Ich weiß bereits, wie es lauten wird.“
    „Du siehst zu schwarz. Erzähl mir mehr von deinem Gedicht.“ Lange erzählte Unini, so hieß der Alte, Tamas von der Geschichte des Königs Gilgamesch . Er erzählte davon, wie seine Herrschsucht einen Tyrannen aus ihm gemacht hatte und wie sehr seine Untertanen unter diesem Halbgott zu leiden hatten und der auf keinen Fall den eigenen Tod hinnehmen wollte. Tamas wollte von Unini wissen, ob es diesen grausamen König wirklich gegeben habe oder ob diese ganze Geschichte nur als ein Gleichnis zu verstehen sei.
    Der weise Alte lächelte. „Das mag so sein“, meinte er dann vielsagend. „Denn sie will uns auch sagen, dass Macht, Reichtum und Stärke nicht vor Unglück und Tod schützen kann. Der mächtige König Gilgamesch, der sich unsterblich wähnt und als Liebling der Götter sieht, ist letztlich doch ein vergänglicher Mensch. Sein Fall ist tief, denn er hat, als er dessen gewahr wird, mehr als andere Menschen zu leiden.“
    Die Retterin
    Über der Erzählung des sumerischen Dichters Unini hatten sie die Zeit und den Kerker vergessen. Doch plötzlich schwieg der Alte.
    „Was ist?“
    „Sei still!“
    In der Ferne war Lärm zu hören.
    „Was bedeutet das, Unini?“
    „Sie kommen uns holen.“
    „Nichts wie weg!“
    „Ich kann das Gitter nicht öffnen.“
    „Versuchen wir es mit vereinten Kräften. Los!“
    Tamas und Unini rüttelten gemeinsam am Gitter.
    „Ich kann nicht, ich bin zu alt und schwach!“, sagte der Dichter resigniert.
    Im Kerkergang wurden Befehle gebrüllt, das Trappeln vieler Schritte war zu vernehmen. Wachsoldaten rannten im Schein der Fackeln an ihrem Verlies vorbei. Alle schrien durcheinander. Eine schwere Türe wurde geöffnet. Frische Nachtluft strömte in das muffige Kerkergewölbe.
    „Du hast dich getäuscht“, sagte Tamas. „Die wollten nichts von uns. Aber warum der ganze Aufstand?“
    „Der Überfall auf Uruk findet früher statt als erwartet.“
    „Was heißt das?“
    „Die Feinde Uruks kommen aus den Sümpfen im Norden. Anscheinend haben die Stadtwächter erst jetzt ihre Boote bemerkt.“
    „Dann lass uns in dem Durcheinander abhauen!“
    Tamas rüttelte erneut mit aller Kraft am Gitter. Es war vergeblich.
    „He, lasst uns hier raus!“, rief er noch einmal.
    Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts eine zierliche, in einen Kapuzenmantel gehüllte Gestalt auf. Ohne ein Wort öffnete sie die Kerkertür.
    „Rasch, bevor die Wächter zurückkommen!“, befahl sie leise. Ohne die Reaktion der Gefangenen abzuwarten, lief sie den Gang hinunter. Tamas und Unini folgten ihr.
    Ein kleiner, mit einem Steinbrocken verschlossener Mauerdurchlass führte ins Freie. Silbrig glänzend lag der Fluss im Mondlicht. Flussaufwärts war Kampfgetümmel zu hören. Fremde Boote hatten am Ufer angelegt. Dumpfer Hörnerton von der Mauerkrone. Bewaffnete liefen in der Dunkelheit an den Fliehenden vorbei, ohne sie zu beachten.
    „Kommt schnell! Hier entlang!“ Die verhüllte Gestalt führte Tamas und Unini in das Schilf eines Nebenarms des Flusses.
    „Wo bringst du uns hin?“
    „In die Freiheit. Dorthin, wo der Fluss in das Meer des Südens mündet. Mein Boot liegt hier versteckt, doch wir müssen uns beeilen. Der Kampf wird schon bald überall

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