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Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schneider
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„Gilt der alte Code noch?“
    Pandora: „Hier ist ein neuer.“

    Die große Klage
    Tamas war in der mittelalterlichen Stadt Nürnberg, im Süden Deutschlands, gelandet. Auf dem Marktplatz, der umstanden war von Bürgerhäusern und den Werkstätten der Handwerksbetriebe, waren die Stände der Händler aufgebaut. Ein tiefer Herbsthimmel hing über dem Land. Eine kleine Wanderbühne hatte ihren Schauplatz in der Ecke des Platzes aufgestellt. Ein Narr trat aus dem Hintergrund der Bühne hervor. In der Hand trug er als Zepter einen Schellenbaum mit Glöckchen aus kleinen Totenköpfen. Er rasselte mit den Knochen. Einige Menschen wurden aufmerksam, blieben stehen.
    „Sagt an, liebe Leute“, rief der Narr mit lauter Stimme, „kann jemand von euch Sterblichen den Gevatter besiegen?“
    „Nein, um Gottes willen!“, schrien die Leute. „Das kann keiner!“
    Sie alle hatten in diesen Zeiten der Kriege und der Seuchen viel zu oft den Tod erlebt.
    „Habt ihr je davon gehört, dass es jemand versucht hat?“
    Die Zuschauer sahen sich an. Niemand wusste etwas zu sagen.
    Tamas drängte sich durch die stärker anwachsende Menge nach vorne. Er spürte, wie das Stück die Zuschauer in den Bann schlug. Die frühe Dämmerung senkte sich, Fackeln wurden an den Häusern angezündet.
    „Ihr schweigt mit Recht, denn niemand hat je den Tod besiegt, ja, noch niemals hat ihn ein Mensch angeklagt! Oder hat einer von euch je gehört, dass der Tod bestraft und in Ketten gelegt wurde, liebe Leute?“
    „Frevel!“, riefen nun einige dem Narren zu. „Gotteslästerung!“
    „So ist es recht, ihr braven Leute. Nun kommt ihr in Stimmung für das Spiel, das wir euch zeigen werden!“
    Bei seinen letzten Worten ertönte eine herzzerreißend klagende Stimme.
    „Ich verfluche dich! Tod, ich verfluche dich, ich verfluche dich!“, wiederholte die Stimme ein ums andere Mal. „Du hast mir das Liebste genommen, das ich auf der Welt hatte. Du hast meine Frau geholt in der Blüte ihrer Jahre! Du bist der schlimmste Feind von allen, die wie Menschen fühlen.“
    Mit diesen Worten trat ein Mann aus dem Dunkel hervor, das Gesicht vor Seelenschmerz verzerrt. Sein kostbares, mit Goldfäden durchwirktes Gewand wies ihn als reichen Bürger dieser Stadt aus.
    „Gib mir Margarethe zurück, verfluchter Tod! Gott kann nicht gewollt haben, was du getan hast! Ich bringe dich vor das Gottesgericht!“
    „Langsam, langsam, mein Freund.“
    Wie aus dem Nichts erschien ein Mann in schwarzem Umhang mit Kapuze.
    „Was kann ich für dich tun, Bürger?“, sagte er ruhig. „Du weißt, mich ruft man nicht grundlos.“
    „Du hast vernommen, wessen ich dich anklage, Verfluchter!“
    „Mäßige dich!“
    „Du hast mir das Licht meines Lebens geraubt, mir das Liebste entrissen! Meinen Morgenstern und meinen Abendstern. Ohne Margarethe kann ich nicht leben.“
    „Ich tat nur meine Arbeit, mein Freund.“
    „Du Mörder! Du hast kein Recht, Teil dieser Schöpfung zu sein! Die Menschen hassen dich!“
    „Glaubt ihr etwa, dass ich keine Gefühle, kein Mitleid habe mit denen, die ich hole. Ich bestimme das Schicksal nicht, ich führe Befehle aus, sonst nichts.“
    Laut klang nun wieder die Klage des Mannes über den von spärlichen Fackeln erleuchteten Platz hin:
    „Du lügst, verfluchter Knochenmann! Ich fordere Margarethe zurück! Ich will dich vor das Gottes- und Menschengericht stellen, auf dass du der gerechten Strafe für deine Taten zugeführt wirst!“
    Jetzt verlor der Tod seine Ruhe. Zynisch lachte er auf:
    „Was soll diese Strafe sein, sage es mir! Etwa ein Kerker oder Inder-Hölle-Schmoren? Keine Mauern, kein Feuer kann mich schrecken. Vergesst nicht, dass Gott mich eingesetzt hat, diese Arbeit zu tun. Ich mache keinen Unterschied zwischen den Armen und den Reichen und Mächtigen dieser Welt. Ich hole sie alle.“
    Er zog eine Flöte unter seinem Umhang hervor, spielte und sang:
    „Herr Kaiser, Euch hilft nicht das Schwert,
    Zepter und Krone sind nichts wert,
    ich hab Euch an die Hand genommen,
    Ihr müsst in meine Reihen kommen!“
    „Bei allen Heiligen!“, riefen die Zuschauer und bekreuzigten sich. Einige beteten laut. Der reiche Mann, der seine junge Frau verloren hatte, machte Anstalten, sich auf den Tod zu stürzen. Der Narr konnte es gerade noch verhindern, indem er seinen Schellenbaum zwischen Bürger und Tod hielt.
    Der Schauspieler, der den Tod verkörperte, hob die Hand: „Meine Arbeit macht mir wahrlich keine Freude“, rief er den

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