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Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schneider
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Leuten zu. „Glaubt mir nur, ihr Leute, ich würde es vorziehen, in ein Zimmer einzutreten, wo ich erwartet werde, aus dem mir die schwachen, doch zufriedenen Worte entgegengeflüstert werden: ‚Da bist du endlich, Gevatter. Komm, erlöse mich. Mein Leben war gut, doch nun ist es genug! Erlöse mich!‘“
    „Margarethe hat dich nicht gerufen, du Ungeheuer! Sie hatte Pläne, wir hatten Pläne für die vielen Jahre, die vor uns lagen ...“
    „Jaja, schon gut, lieber Mann. Verschone mich mit deinen Plänen, davon will ich nichts wissen. Margarethe war zufrieden, glücklich, sie hatte keine Schmerzen und kein Leid erfahren. Warum beklagst du dich also? Jeder Morgen war ihr neu und voller Lebenslust, sie hat weniger als andere Menschen an das Ende gedacht. Ihre Liebe zu dir war groß, so behalte sie so in Erinnerung und sei dankbar für dieses Geschenk. Sei dankbar, denn es hätte auch anders sein können. Und veranstalte nicht solches Gezeter!“
    „Vor des Herrn Gericht sollst du, Elender, Grimmiger!“, schrie der Witwer.
    „Nun gut, so rufen wir IHN, auf dass es endlich Ruhe sei!“ Er rief, den Blick zum Himmel gewandt:
    „Fürst der Erde und des Himmels! Ewiger Richter und Lenker aller meiner Schritte!“
    Unter Blitz und Donner erschien der Herrgott auf der Bühne. Es war ein gebrechlicher Alter mit wirrem Haar, einem sackleinenen Umhang und einem derben Knotenstock. Einige Zuschauer lachten. Sie schienen den Alten zu kennen. Doch das Lachen verstummte auf der Stelle, als eine gewaltige Stimme sich erhob: „Wer ruft mich und stiehlt meine Zeit?“
    „Dieser Bürger, mein Herr“, erklärte der Tod, „bezichtigt mich einer Tat, für die er mich vor das Hohe Gottesgericht stellt.“
    „Du hast mir meine junge Frau genommen, du Ungeheuer!“
    „Ich kenne euren Fall, ich habe den Disput zwischen euch verfolgt“, sagte der Herrgott. „Ich weiß, dass du ein gottesfürchtiger Mann bist, Bürger, und ein uns genehmes Leben geführt hast. Ich verstehe deinen Schmerz und deine Wut ob dieses Verlustes. Doch bedenke, dass deine Frau nicht dein Eigentum, sondern nur von Gott geliehen war.“
    Das Schluchzen des Mannes wurde bei diesen letzten Worten lauter. Mancher Zuschauer konnte seine Tränen nicht mehr unterdrücken.
    „Ha!“, lachte der Tod höhnisch auf. „Habe ich ihm nicht gesagt, wie unrecht seine Klage gegen mich ist?“
    „Spiel dich nicht auf“, wies Gott den Tod zurecht. „Du solltest dich nicht deiner Herrschaft rühmen, denn auch sie stammt von UNS.“
    „So gibst du mir Margarethe zurück?“ Ein Fünkchen Hoffnung glomm in der bangen Frage des Bürgers.
    „Es geht nicht“, sagte der Herrgott. „Das wäre gegen den Lauf der Welt.“
    „Wie also lautet dein Spruch?“, fragte der Tod.
    „Beide habt ihr recht und unrecht zugleich“, sprach der Herrgott. „Deine Klage über den Tod deines Weibes war rechtens, Bürger.“
    „Blasphemie!“, unterbricht der Tod. „Lästerung Gottes und seiner ewigen Herrschaft, in der alles seinen Platz haben muss!“
    „Schweig still, Grausamer! Den Menschen muss erlaubt sein, gegen ein allmächtiges Schicksal zu klagen und aufzubegehren.“
    „Aufbegehren gegen die Weltordnung! Das steht den Menschen nicht zu!“
    „Es steht ihnen zu, dennoch sind sie verpflichtet, das Leben dem Tod und die Seele Gott zu geben.“
    „Ist dies dein Spruch?“
    „Der Tod trage den Sieg in eurem Disput davon. Erkenne es an, Bürger. Für die Seele deiner lieben Frau Margarethe, für ihr ewiges Leben wird gesorgt sein.“
    „Ich erkenne es an. Mein Unglück ist der Wille Gottes, so soll es sein.“
    Die große Erleichterung
    Kaum war das Stück zu Ende, löste sich die Spannung und es kam Bewegung in die Zuschauer. Die Dramatik, der Schmerz über den Tod einer geliebten Frau, der alle erfasst hatte, wich einer großen Erleichterung und plötzlich ausbrechenden Fröhlichkeit.
    Die Menschen begannen, ausgelassen zu tanzen, als wollten sie so schnell wie möglich den Gedanken an den Tod verscheuchen. Die Musik von Sackpfeife und Schalmei stand dabei ganz im Gegensatz zur Totenstille, die noch vor kurzer Zeit über dem Platz gelegen hatte. Nun fassten alle einander an den Händen, Jung und Alt, Reich und Arm, Marktfrau und Soldat, Kaufmann und Geselle, Jungfrau und Hirte, Fuhrmann und Böttcher, Höker und Dieb, Schauspieler und Zuschauer, Gaukler und Büttel – sie alle drehten den wilden Reigen, hoben im Takt die Beine, umfassten einander, Männer und Frauen,

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