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Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schneider
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jagten einander, lachten und sangen:
    „Vorbei der Spuk,
    vergessen der Tod,
    daher tanzt mit uns,
    vergessen die Not.
    Singt die ganze Nacht,
    trinkt mit uns,
    bis der Morgen erwacht!“
    Tamas war voll dabei. Er war einer von ihnen, sang und tanzte mit. Er fühlte ihre Erleichterung und verstand, warum sie diesen sogenannten Gottesspruch als Trost empfanden. So war ihre Welt wieder in Ordnung. Nun konnten sie ausgelassen feiern und nach Möglichkeit alles vergessen, was mit dem Dunkel des Todes zu tun hatte.
    Befeuert von Wein und Bier wurde der Reigen immer toller. Schreien und Lachen, frivole Scherze flogen hin und her, die Burschen umarmten die jungen Mädchen beim Tanz.
    Tamas bemerkte ein Mädchen, das im Kreis ihm gegenüber tanzte.
    „Bist du es?“, rief er ihr zu.
    Sie verstand ihn nicht, aber Tamas war sich plötzlich sicher, sie endlich gefunden zu haben. „ Mond! “
    Es gelang ihm, neben sie kommen. Er fasste nach ihren langen Haaren, um das Tattoo zu sehen. Sie schlug ihm lachend auf die Hand, wandte sich lachend wieder ihrem Tanzpartner zu. Der Reigen hatte sich in einzelne Paare aufgelöst. Auch die Schauspieler der Wanderbühne, der Narr, der reiche Bürger und der alte Herrgott waren unter den Tanzenden.
    „Warte!“, rief Tamas. Er war unsicher geworden. Er sah, dass die, die er für das Mondmädchen gehalten hatte, über ihn sprach, mit dem Finger auf ihn zeigte und dann eine Geste machte, als wollte sie sagen, das ist ein Verrückter. Am besten, er verließ dieses Kapitel wieder.
    Deine Zeit ist noch nicht gekommen
    Doch plötzlich stand der Darsteller des Todes im schwarzen Umhang neben ihm. Sein Gesicht unter der Kapuze war in der hereinbrechenden Dämmerung nicht zu erkennen.
    Tamas überkam ein eigenartiges Gefühl. Sein Magen rebellierte. Er fröstelte.
    „Hast du deine Liebste verloren?“, fragte der Mann.
    „Geht dich nichts an. Wer bist du überhaupt?“
    „Ein Schauspieler. Die meisten Menschen erkennen mich nicht, wenn ich auftauche. Mal habe ich diese Gestalt, mal jene, mal bin ich jung, mal alt, heute unsichtbar, morgen deutlich zu sehen. Ich wähle die Gestalt, die ich für meine Arbeit brauche. Mitunter erscheine ich als Soldat oder als Arzt, als Zivilist oder als Landsknecht, als römischer Legionär oder als Straßenjunge. Ich bin sehr flexibel und passe mich allen Zeiten an. Tust du das nicht auch?“
    Ein Grauen erfasste Tamas. Das war kein Schauspieler! Bevor er etwas sagen konnte, fuhr der Mann fort:
    „Ich wandere durch die Zeiten wie du, mein Freund. Ich tue meine Arbeit ungern. Auch wenn du, Fremder, und auch sonst niemand es glauben mag, auch ich habe Gefühle. Mir macht es keine Freude, die Menschen aus ihrem Leben zu reißen. Mir bricht die Klage des Trauernden das Herz. Und es kann mich um den Verstand bringen zu sehen, mit welcher Begeisterung die Menschen immer wieder in den Krieg rennen. Da mähe ich ihre zarten Leben dann zu Tausenden um, wie der Schnitter die Halme im Sommer. Mit welcher Blindheit sie geschlagen sind! Wie dumm sie sein können, sich von ihren Königen und Feldherren immer wieder in die Irre leiten zu lassen!“
    „Was willst du von mir?“
    „Keine Sorge, deine Zeit ist noch nicht gekommen. Ich suchte nur jemanden zum Reden. Ein Mensch, der aus einer anderen Zeit kommt, schien mir der Richtige zu sein. Ich weiß ja, dass man das Unausweichliche verharmlosen will. Dass man sich vor dem Dunkel zu schützen sucht, das die Beschäftigung mit dem Tod mit sich bringt.“
    Tamas wollte sich abwenden. Er konnte die Rede dieses Mannes nicht mehr ertragen.
    „Ein Satz noch, Fremder.“
    „Ich muss weiter.“
    „Ich ebenfalls, denn man ruft schon wieder nach mir. Nur eines noch über die Zeit, aus der du kommst.“
    „Nein, ich will nichts mehr hören!“
    „Ich weiß, dass ich ein Tabu für euch bin. In deiner Zeit des schnellen Lebens spricht man es nicht einmal mehr aus, was für die Menschen in der Gegenwart die natürlichste Sache der Welt ist. In der Kultur, in der du zu Hause bist, schafft man die Toten ganz schnell aus der Welt, verbrennt sie zu Asche. Fort, schnell weg mit ihnen, fort aus dem Gedächtnis, damit sie euch nicht mehr zu nahe kommen. Der Tod hat im Leben nichts zu suchen, denkt ihr. Die Gedanken an ihn könnten den Spaß verderben. Daher wird der Tod aus dem Leben verbannt. Wenn das nur kein Fehler ist! Doch nun muss ich gehen. Lebe wohl, setze in Frieden deine Reise fort!“
    Das Bild löste sich langsam auf. Die

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