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Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schneider
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12. Jahrhundert v. Chr. //

Der Blick des Sokrates fiel auf Tulu: „Und du, Fremder, der du uns die ganzen Stunden aufmerksam gelauscht hast, gehe behütet vor allen Gefahren deines Weges. Kannst du manch Bedenkenswertes mit dir nehmen?“
    „Gewiss, doch nun brauche ich Zeit, um alles, was ich gehört habe, genauer zu bedenken.“
    „Daran tust du gut, Fremder. Auch ich habe viele Jahre gebraucht, bis sich der Nebel in meinem Kopf lichtete und sich einfache klare Gedanken formten. Über einige von ihnen haben wir heute disputiert. Denke daran, dass man sich vor allem im Disput, in der Rede und Gegenrede über die Dinge klar wird. Nun lebe wohl, mein Freund. Komme wieder auf die Agora, wann immer du den Wunsch verspürst.“
    „Lebt ebenfalls wohl. Und seid vielmals bedankt“, sagte Tulu höflich.
    Die Wahrheit war: Ihm schwirrte der Kopf vor lauter Philosophie.
    RAUS
    Tamas: „Ich brauche mal kurz Abstand, Pandora.“
    Pandora: „Die Griechen waren nicht die Ersten, die sich so ausführlich mit den wichtigsten Fragen des Lebens, der Politik, der Kultur und mit den Ursprüngen des Denkens und der Zivilisation befassten. Aber bei ihnen wurde mehr als zuvor das Denken und Handeln mündlich und schriftlich festgehalten. Sonst wüssten wir heute nichts oder nicht so viel davon.“
    Tamas: „Dieses Spiel hat auch mit der Frage zu tun, was Wirklichkeit ist?“
    Pandora: „Ja. Wenn du länger geblieben wärst, hättest du von Platon*, einem Schüler des Sokrates, seine Geschichte über Menschen gehört, die ihr Leben lang in einer Höhle verbringen. Sie wissen nichts von einer anderen Welt. Es geht darum, wie gering die Möglichkeit der Menschen ist, die Wahrheit zu erkennen.“
    Tamas: „Dann erzähl du es mir eben. Ich mach mir solang eine Pizza warm.“
    Das Höhlengleichnis
    Pandora: „In einer dunklen Höhle sitzen mehrere Menschen Seite an Seite mit dem Rücken zum Eingang. Seit ihrer Geburt sind sie mit Ketten an Stühle gefesselt. Es ist ihnen unmöglich, den Kopf zu drehen und mehr zu erkennen als die Felswand vor ihnen. Licht kommt nur von einem flackernden Feuer hinter ihnen. Es wirft unruhige Schatten auf der Wand vor den Gefesselten. Da sie ihr ganzes Leben in dieser Stellung verharren mussten, wissen sie nichts von der Welt draußen. Vor dem Feuer tragen Menschen ständig irgendwelche Dinge hin und her. Einen Krug, andere Hausgerätschaften, Speere, kleine Skulpturen oder Pflanzen. Alle diese Gegenstände und Gestalten spiegeln sich auf der Felswand. Für die Angeketteten sind die Schatten die Wirklichkeit, da sie von dem Geschehen hinter ihrem Rücken nichts wissen können.
    Einer der Gefesselten wird befreit. Man zwingt ihn, aufzustehen und sich umzudrehen. Als er das Feuer sieht, die wirklichen Menschen und Gegenstände, weiß er nicht, damit umzugehen. Er ist völlig verwirrt und auch geblendet von der plötzlichen Helligkeit. Erst außerhalb der Höhle gewöhnen sich seine Augen ganz langsam an das Licht. Er erkennt mehr und mehr die wirklichen Gegenstände. Er ist glücklich darüber, bedauert zugleich seine Schicksalsgenossen unten in der Höhle. Eigentlich möchte er nicht mehr zurück, doch er sieht es als seine Pflicht an, ihnen die Wahrheit über ihre Situation zu offenbaren. Er beginnt, ihnen die Schatten an der Felswand zu deuten und wie sie zustande kommen. Sie verspotten und beschimpfen ihn: Er habe sich anscheinend die Augen verdorben oder sei gar verrückt geworden. Die Gefesselten beschließen, künftig jeden umzubringen, der versucht, sie von ihren Fesseln zu befreien und aus der Höhle zu führen.“
    Tamas: „Mir geht es manchmal wie einem in der Höhle. Ich denke, etwas ist wirklich, aber das stimmt nicht. Alles nur eine Art Schattenspiel?“
    Pandora: „In diesem zentralen Gleichnis der griechischen Philosophie soll klargemacht werden, dass der gewöhnliche Mensch im Alltag wie in einer Höhle lebt.“
    Tamas: „Das Blöde ist nur, keiner merkt es. Aber das hat auch sein Gutes. Wäre nicht so toll, immer diese Ketten zu spüren.“
    Pandora: „Die Gefangenen in der Höhle scheinen jedenfalls nicht zu leiden. Sie können sich gar nichts anderes vorstellen.“
    Tamas: „Die Menschen in der Gegenwart sind schon längst wie gefesselt, oder? Tag für Tag lassen sie sich berieseln von der Unterhaltung. Allen geht es gut, alle Kämpfe sind zu Ende, keiner ist mehr in der Lage, den Bildern zu entkommen, die vor seinen Augen an den Wänden vorüberziehen. Die meisten führen ein

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