Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation
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Pop und Soap, Herz und Schmerz, Thriller und Komödie, das war das Theater vor vier Jahrhunderten. Die Leute wollten bestens unterhalten werden. Sie wollten lachen und weinen, sie wollten Clownerien, aber auch philosophische Gedanken über das Leben und seinen Sinn. Der Regisseur, Schauspieler und Schriftsteller William Shakespeare (1564–1616) bot das alles. Er war und ist der Superstar des Theaters, zählt bis heute zu den bedeutendsten Dramatikern des Abendlandes und war schon zu seinen Lebzeiten sehr berühmt. Sein Werk umfasst neben Sonetten (Gedichtform italienischer Herkunft) 37 Theaterstücke. Viele verfasste er für das Londoner Globe-Theater, dessen Hausdichter und Teilhaber er war. //
Shakespeare schrieb mit großer Eindringlichkeit über das private Leben der Könige, ihre Schurkereien, ihren Wahnsinn, ihre Machtgier, Liebesaffären. Er beschrieb die Nöte und Ängste, die Träume und Hoffnungen der einfachen Leute, der Bettler, der kleinen Gauner. Er wusste die Gefühle der Frauen und Männer gleichermaßen treffend auszudrücken, ihren Schmerz, aber auch ihr Glück. //
Seine Stücke sind an keine Zeit gebunden. Es sind die besten, die je geschrieben wurden. Sie werden auch heute noch auf den größten Bühnen der Welt ebenso gespielt wie im Schultheater oder als Verfilmungen gezeigt. Diese Stücke sind voller Edelmütiger und Bösewichter, voller Liebender, deren Gefühle erfüllt oder abgewiesen werden, voller Feiglinge und Helden, voller wunderbarer Frauen, tapferer Männer, Hexen und Geister – zusammen mit allen nur denkbaren starken Gefühlen genau die richtigen Zutaten für Kassenschlager – damals wie heute. //
Rattenbande
Die Dämmerung senkte sich. Das Drama um den Dänenprinzen Hamlet war zu Ende. Die Zuschauermassen drängten zu den Ausgängen. Plötzlich wurde Tamas von kräftigen Händen festgehalten, dann am Genick gepackt und brutal zu Boden geworfen.
„Ich hab noch einen von diesen Ratten!“
Menschen blieben stehen, bildeten einen Kreis um mehrere Jungen, die von Ordnern des Globe und anderen Männern festgehalten wurden. Stimmen waren zu hören:
„Er hat meinen Beutel abgeschnitten, der Hund!“
„Meiner ist auch fort!“
„Saubande! Die sind so geschickt, dass man nichts merkt!“
Die Jungen wurden durchsucht. Soweit Tamas in dem Tumult verstand, war man auf der Suche nach Mitgliedern einer Diebesbande, die sich The rats nannten.
„Verfluchte Beutelschneider!“
„In den Tower mit ihnen!“
„Aufhängen sollte man sie!“
Die Jungen wurden gewaltsam durchsucht, indem man ihnen die Kleider vom Leibe riss. Schnell waren die gestohlenen Geldbörsen gefunden. Es gab eine gehörige Tracht Prügel, man schlug und trat sie, jagte sie halb nackt aus dem Theater.
„Lasst euch bloß nicht mehr blicken, verfluchte Hunde! Das nächste Mal machen wir kurzen Prozess mit euch!“, drohten die Ordner.
„Was ist mit dem da?“
Jemand wies auf Tamas, den sie vom Boden hochgezerrt und durchsucht hatten. Er klopfte sich den Staub, das Stroh und die Nussschalen von den Kleidern.
„Bei dem haben wir nichts gefunden.“
„Wie heißt du? Wo kommst du her?“, fragte ein Mann, der noch im Schauspielerkostüm von der Bühne herabgestiegen war: eine kraftvolle Gestalt, hohe Stirn, fast schon Glatze, lange gewellte Haare bis über die Ohren, gepflegter schmaler Oberlippenbart, neugieriger, nicht unfreundlicher Blick.
„Er gehört bestimmt zur Rattenbande, Master Shakespeare“, erklärte ein Ordner. „Wenn es nicht sogar Rick the rat persönlich ist, denn bis jetzt kam kein Wort über seine verstockten Lippen.“
„Gleich wird er singen wie ein Vögelchen, passt nur auf!“ Einer der Büttel schwang seinen mit Eisen beschlagenen Knüppel.
„Haltet ein, Leute!“, gebot der Schauspieler. „Noch habe ich in diesem Haus das Sagen. Lasst ihn los. Es soll euer Schaden nicht sein.“
Auch wenn die Schauspieler eher zu den verachteten Berufsständen zählten, die man als Gaukler, Herumtreiber und Hurenböcke ansah, so ließ man sich doch von ihrer Kunst gerne verführen. Und Shakespeare war ohnehin so geachtet, dass man ihm hier nicht widersprach.
„Auf Eure Verantwortung, Master Will. Ihr seid der Boss!“, sagte der Büttel.
„Nun sprich endlich, woher kommst du?“, wandte sich Shakespeare erneut an Tamas.
„Aus einer anderen Welt.“
Der Dichter sah Tamas prüfend an.
„Aus einer anderen Welt?“
„Ja, ich bin hier nur
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