Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation
sagte sie.
„Niemals. Ich will es nicht.“
„Hast du deine Avatare in diesem Spiel immer unter Kontrolle?“
„Ich weiß nicht ... nein, immer nicht. Glaube ich jedenfalls.
„Was ist mit Tulu passiert?“, fragte sie.
„Er war so verzweifelt über den Untergang seines Volkes.“
„Er wollte sterben“, sagte das Mondmädchen.
„Woher weißt du das?“
„Ich weiß manches, was in dieser Welt geschieht.“
„Stimmt, du hast mich als Tulu und davor als Tamas mehrfach gerettet.“
„Und wirst du mich retten?“
„Das werde ich“, sagte Tamas. Er glaubte es in diesem Moment ganz fest. Konnte er das Spiel nicht beeinflussen?
„Wo warst du vorher? In welcher Gestalt warst du unterwegs?“, fragte er.
„Lange Jahre lebte ich in der Gestalt eines jüdischen Mädchens, das seine Jugend in Andalusien verbrachte. Ich war zufrieden und glücklich als Susana, die mit ihrem Vater Nachum und ihrer Mutter Rabea in Granada lebte.“
„Willst du mir die Geschichte deines Avatars Susana erzählen?“
„Ja, doch lass mich eine Weile ruhen. Ich bin sehr erschöpft.“
„Ich wache über dich.“
Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und schlief ein.
Level 13
Vertreibung
//1490–1605//
Reale Zeit: Freitag, 29. Oktober, 18.00 Uhr
Realer Ort: Tamas’ Keller
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Virtuelle Zeit: 1490–1605 n. chr.
Virtuelle Orte: london, Granada,
andalusien
Tamas hat drei unruhige Stunden im Halbschlaf auf seiner Liege verbracht. Viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er weiß, dass er sich um andere Dinge kümmern, endlich zu einem Entschluss kommen sollte. Walter wird er nächste Woche nicht mehr hinhalten können.
Doch seine Gedanken an die andere Welt sind stärker. Im Chat-Fenster ist ein Code erschienen. Er gibt ihn ein. Das Bild des nächtlichen Londons um 1600 baut sich auf.
Das Märchen von den glücklichen Tagen
Vor ihnen lag die Stadt. Mondmädchen sah ihren Retter wehmütig an. Dann begann sie mit fester Stimme ihre Erzählung.
„Granada war zu jener Zeit, etwa 1490 nach Christus, noch eine Insel des Friedens. Obwohl die Moslems Südspanien schon seit dem 9. Jahrhundert besetzt hielten und es zu zahlreichen Konflikten gekommen war, gab es in der andalusischen Stadt Granada kaum Feindschaft zwischen Juden, Christen und Moslems. Die generationenlangen Freundschaften zwischen den Anhängern der drei Religionen hatten zu einer befruchtenden Vermischung der Kulturen geführt.“
// „ERGEBUNG IN GOTTES WILLEN“ //
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Das ist die Übersetzung des arabischen Wortes Islam. Wie für Christentum und Judentum ist für den islamischen Glauben grundlegend, dass es nur einen Gott gibt. Allah ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Er bestimmt alle Schicksale vorher, er ist allwissend und barmherzig. Dieser Gott, so die Überlieferung, wählte den Kaufmannssohn Mohammed als seinen Propheten aus. Er begründete zwischen 610 und 632 im arabischen Mekka und Medina die islamische Religion und schrieb sie im heiligen Buch des Islam, dem Koran, auf. //
Die Lehre Mohammeds verbreitete sich schnell. Bereits 80 Jahre nach dem Tode des Propheten hatten die Muslime ein Weltreich aufgebaut. Sie setzten in der schmalen westlichen Meerenge des Mittelmeeres (heute Gibraltar) unter dem Feldherren Tarik ins spanische Andalusien über und zerstörten das christliche Reich der Westgoten. Die neuen arabischen Herrscher brachten eine hoch entwickelte Kultur ins Land. Es entstanden herrliche Städte wie Granada, Toledo oder Cordoba, die noch heute von der arabischen filigranen Baukunst und den Fertigkeiten in der Garten- und Landschaftsgestaltung Zeugnis geben. Künste und Wissenschaften blühten wie nie zuvor in diesem Teil der Welt. Tanz, Musik und Poesie gehörten zum Leben, das Schachspiel, das die arabischen Eroberer im Gepäck mitgebracht hatten, wurde zum Spiel der Könige. Schulen und Bibliotheken entstanden. //
Arabische Kalligrafie: Allah
Der Hass blieb ausgesperrt
„Auch ich, eine Jüdin, liebte die mystischen Rufe des Muezzins, die in der Morgendämmerung von den Spitzen des Minaretts ertönten! Die Gläubigen strömten in die Moscheen, um ihren Gott zu preisen. Ich beobachtete sie heimlich von meinem Fenster aus. Wir Juden gingen auf demselben Wege in die Synagoge wie die Christen in die Kathedrale. Wir grüßten uns, behandelten einander mit Respekt und tolerierten den Gott unserer Nachbarn.
Es war ein Märchen, Tamas, ein
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